Titel

VG Leipzig, Urteil vom 15.07.2020, Az. 1 K 737/19


Videoaufnahmen einer Demonstration rechtswidrig

 


Zitiervorschlag: VG Leipzig, Urteil vom 15.07.2020, Az. 1 K 737/19, zitiert nach POR-RAV


Beschluss noch nicht rechtskräftig!
Letzte Bearbeitung: 09.01.2021, 20:52

Teaser



1.) Auch Übersichtsaufnahmen eines Demonstrationszuges, der an einem sog. gefährlichen Ort im polizeirechtlichen Sinne vorbeiführt, können rechtswidrig sein.

2.) Grundrechtsbeeinträchtigungen können nicht nur final erfolgen, sondern auch faktisch als (un-)beabsichtigte Nebenfolge eines auf ganz andere Ziele gerichteten Staatshandelns.

3.) Der Anmelder bestimmt grds. den Ort der Demonstration (Wirkungsmacht der Ortswahl).

Leitsatz

1. Für einen Eingriff in Art. 8 GG genügt jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise (subjektiv) unmöglich macht.

2. Einschüchterung der Teilnehmer durch eine stationäre Kameraüberwachung könnte mittelbar auf den Prozess der Meinungsbildung und demokratischen Auseinandersetzung einwirken.

3. Bild- und Tonaufnahmen können grundsätzlich nur dann auf das Polizeirecht gestützt werden, wenn nicht das allgemeine Polizeirecht vom spezielleren Versammlungsrecht verdrängt wird (sog. "Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts")

Volltext



1. Es wird festgestellt, dass die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen der Demonstration der Klägerin am 6.4.2019 in dem Bereich Leopoldstraße/Ecke Wolfgang-Heinze-Straße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße rechtswidrig war.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

3. Die Berufung wird zugelassen.

TATBESTAND

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen durch eine stationär befestigte Videokamera am Connewitzer Kreuz der Versammlungsteilnehmer bei der von der Klägerin angemeldeten Demonstration am 6.4.2019 in dem Bereich Leopoldstraße/Ecke Wolfgang-Heinze-Straße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße während der Versammlung am 6.4.2019 rechtswidrig war.

Die Klägerin stellte in ihrer Funktion als Landtagsabgeordnete eine Kleine Anfrage (DS-Nr. 6/13751) und eine Nachfrage hierzu (Drs.-Nr. 6/14167) im Sächsischen Landtag zur Abschaltung von fest installierten Videokameras bei Versammlungen. Das Sächsische Staatsministerium des lnnern beantwortete die Kleine Anfrage (6/13751) am 13.7.2018 und führte zu den gestellten Fragen

Frage 1: „Welche entsprechenden Regelungen sieht die Staatsregierung bei vom Freistaat Sachsen betriebenen fest installierten Videokameras, die den öffentlichen Raum überwachen vor? ( ... )"

und

Frage 2: „Wenn keine Regelung eines so genannten ,Demo-Schalters´ vorgesehen ist: Warum ist dies nicht der Fall?"

u. a. aus, dass die durch Behörden des Freistaats Sachsen betriebenen festinstallierten Videokameras nach § 13 Sächsisches Datenschutzdurchführungsgesetz - SächsDSDG - im Rahmen der Wahrnehmung des Hausrechts der Eingangsüberwachung und der Überwachung zur Sicherung des Gebäudes dienten. Die überwachten Flächen seien weder zur Durchführung von öffentlichen Versammlungen bestimmt noch geeignet. Es seien aus der Vergangenheit auch keine Versammlungen bekannt, die auf solchen Flächen stattgefunden hätten. Aufgrund der jeweiligen Kamerapositionen und der jeweiligen Aufnahmebereiche wäre es nur in Ausnahmefällen überhaupt möglich, dass Versammlungsteilnehmer in den Aufnahmebereich gelangen könnten. Die Abwägung der schutzwürdigen Interessen möglicherweise betroffener Personen aus deren Versammlungsrecht gegenüber den Belangen der Behörden im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung und ihrer Ausübung des Hausrechts, insbesondere aufgrund der jeweiligen Kamerapositionen und der Aufnahmebereiche, führten zu einem Überwiegen der Belange der Behörden. Deshalb werde für das Vorsehen eines sog. „Demo-Schalters" weder rechtlich noch tatsächlich ein Bedürfnis gesehen.

ln ihrer Nachfrage (Drs.-Nr. 6/14167} warf die Klägerin die weitere Frage auf, wie sich die Staatsregierung zur Frage der Abschaltung von stationären Videokameras bei in deren Aufnahmebereich stattfindenden Versammlungen positioniere und wie in diesen Fällen das schutzwürdige Interesse der Behörden gegenüber Art. 8 Grundgesetz - GG - begründet werde.

Das Sächsische Staatsministerium des lnnern nahm hierzu am 21.8.2018 Stellung, wobei unter Verweis auf die zusammenfassende Antwort der Staatsregierung auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/13T51 u. a. ausgeführt wurde, dass § 37 Abs. 2 Sächsisches Polizeigesetz- SächsPolG- die straftatenverhütende Videografie an Kriminalitätsschwerpunkten regele. Einen Automatismus, nach der die spontane oder im Rahmen einer Anzeige angekündigte Entscheidung eines Veranstalters, in einem solchen Bereich eine Versammlung durchzuführen. zur Beendigung der bestehenden Gefahrenabwehrmaßnahmen führe, gebe es nicht. Dies käme der Abschaltung durch die Versammlungswilligen selbst gleich. Die weitere Frage der Klägerin, ob Videokameras, die auf Grundlage des § 13 Sächsisches Datenschutzgesetz - SächsDSG – betrieben werden, in den möglichen „Ausnahmefällen", in denen sich Versammlungsteilnehmer*innen im Aufnahmebereich aufhalten, ausgeschaltet Würden, wurde in der Antwort des Sächsischen Staatsministeriums des lnnern verneint.

Die Klägerin zeigte unter dem 28.3.2019 als Vertreterin der „Initiative Mieter*innen" eine Versammlung für den 6.4.2019, 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr unter dem Motto .,Steigenden Mieten die rote Karte zeigen - Für bezahlbaren Wohnraum für alle - Gemeinsam gegen Mietwahnsinn und Verdrängung ! an, für die etwa 100 Personen erwartet wurden. Als Aufzugsstrecke benannte die Klägerin die Strecke Leopoldstraße/Wolfgang-Heinze-Str./Kochstraße/Richard-Lehmann-Str./Arthur-Hoffmann-Str./Bayrischer Platz (westliche Seite).

Die Demonstrationsstrecke führte über einen Teilbereich des Connewitzer Kreuzes, welcher seit dem Jahr 2003 mittels einer stationären an einem Mast befestigten Kamera videoüberwacht wird. Der von der schwenkbaren Kamera im Regelbetrieb abgedeckte Bereich umfasst die unmittelbare Umgebung des Connewitzer Kreuzes mit den angrenzenden Straßenmündungen. Im manuellen Betrieb können der Bereich der Karl-Liebknecht-Straße südlich der Richard-Lehmann-Straße, der Anfang der Bornaischen Straße bis zur Ecke Bernhard-Göring-Straße/Wiederbachstraße sowie der Anfang der Wolfgang-Heinze-Straße bis zur Ecke Auerbachstraße erfasst werden.

Die Klägerin wandte sich mit E-Mail vom 2.4.2019 an die Versammlungsbehörde. Darin bat sie unter Hinweis darauf, dass die Versammlung auch am Connewitzer Kreuz entlanglaufen werde und sie erwarte, dass stationäre Kameras ausgeschaltet würden, wenn Versammlungen dort entlang führten, um Nachfrage bei der Polizei, ob die Kamera am 6.4.2019 ausgeschaltet werde und um eine schriftliche Bestätigung bzw. Begründung der Entscheidung. Die daraufhin von der Verwaltungsbehörde eingebundene Polizeidirektion Leipzig verwies zur Antwort auf die Nachfrage der Klägerin vom 2.4.2019 auf die Antwort des Staatsministeriums des lnnern vom 13.7.2018 zur Kleinen Anfrage (DS-Nr. 6/13751) sowie zur Nachfrage vom 21.8.2018 (DS-Nr. 6/14167).

ln der Einsatzbesprechung der Polizei unmittelbar vor Beginn des Einsatzes am 6.4.2019 wurde die Entscheidung zur (Nicht-)Abschaltung der Überwachungskameratechnik am Connewitzer Kreuz thematisiert, um alle Einsatzführer in diesen Entscheidungsprozess einzubinden und auf entsprechende Anfragen vorzubereiten. Die Demonstration, deren Gesamtstrecke 3.200 m umfasste, startete mit einer Auftaktveranstaltung gegen 12:00 Uhr in der Leopoldstraße in Leipzig und zog sodann im Bereich der Wolfgang-Heinze-Straße/ Kochstraße über das sog. Connewitzer Kreuz zum Bayerischen Platz. Auf Nachfrage der Klägerin beim Einsatzführer „Versammlungsschutz" während des Aufzugs am 6.4.2019 wurde der Klägerin seitens der Polizei mündlich bestätigt, dass während des Demonstrationsgeschehens keine Abschaltung der festinstallierten Kameratechnik am Connewitzer Kreuz erfolge.

Die Klägerin hat am 9.4.2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Sie habe als Anmelderin und Versammlungsleiterin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme. Es bestehe Wiederholungsgefahr. Die Videoüberwachung am 6.4.2019 sei rechtswidrig gewesen und habe sie in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte habe damit in die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 GG sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 GG eingegriffen.

Die Voraussetzungen des § 20 Sächsisches Versammlungsgesetz - SächsVersG - lägen nicht vor. Hiernach dürfe die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, dass von Ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgingen. Derartige Anhaltspunkte hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen und seien vom Beklagten auch nicht geltend gemacht worden. Es habe sich um eine angemeldete Demonstration gehandelt, welche während des gesamten Verlaufs friedlich verlaufen sei.

Soweit der Beklagte meine, es gäbe keine Rechtsgrundlage für ein Abschalten, so verkenne er den Wesensgehalt der Grundrechte als Abwehrrecht des Einzelnen. Es bedürfe keiner Rechtsgrundlage für das Abschalten von Videokameras. Vielmehr bedürfe es einer Rechtsgrundlage für das Anfertigen von Bild- und Tonaufnahmen. Diese sei vorliegend ausschließlich in § 20 SächsVersG gegeben, dessen tatbestandliche Voraussetzungen indes nicht vorlägen. Entscheidend sei nicht der allgemein mit der Videoüberwachung verfolgte Zweck, sondern die bei den Versammlungsteilnehmern erzielte Wirkung. Es sei somit nicht danach zu differenzieren, ob die Videoüberwachung auf versammlungsspezifische oder allgemeine Gefahrenlagen abziele. Dies entspreche der allgemeinen polizei- und versammlungsrechtlichen Dogmatik und Rechtsprechung.

Für die bei den Versammlungsteilnehmern erzielte Wirkung mache es keinen Unterschied, ob die Videoüberwachung primär anderen präventivpolizeilichen Zwecken dienen solle. Aus diesem Grund sei eine fest installierte Videoüberwachung allein nach § 20 SächsVersG zu beurteilen, wenn eine von Art. 8 GG geschützte Versammlung den videoüberwachten Bereich betrete. § 20 SächsVersG sei in diesen Fällen Iex specialis und ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Polizeigesetzes ausgeschlossen. Es könne mithin nicht darauf verwiesen werden, dass der potentielle Eingriff in Art. 8 GG bei Versammlungen auf videoüberwachten Plätzen bereits in der gesetzlichen Abwägung und Ermächtigung des § 37 Abs. 2 SächsPolG enthalten sei. Vielmehr halte sich diese Vorschrift des Polizeigesetzes nur in den verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn die allgemeine Videoüberwachung während einer Versammlung abgeschaltet werde. Der Beklagte verkenne vorliegend die grundrechtliche Bedeutung der Versammlungsfreiheit gänzlich, wenn er der Klägerin eine alternative Route nahelege, die nicht an videoüberwachten Bereichen vorbeiführe.

Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SächsPolG nicht vor, da es sich beim Connewitzer Kreuz nicht um einen gefährlichen Ort i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SächsPolG handele.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen der Demonstration der Klägerin am 6.4.2019 in dem Bereich Leopoldstraße/Ecke Wolfgang-Heinze-Straße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt zu Begründung vor, es habe zu keinem Zeitpunkt eine Videoüberwachung der Demonstration gegeben. Vielmehr habe eine Videoüberwachung eines gefährlichen Ortes i. S. v. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SächsPolG stattgefunden. Durch diesen Ort hindurch habe sich vorübergehend die von der Klägerin angemeldete Versammlung mit rund 100 Teilnehmern in Form eines Aufzugs bewegt. Das Connewitzer Kreuz sei ein stark frequentierter Verkehrsknotenpunkt. Drei Straßenbahnlinien (9, 10, 11) führten im 10-Minuten-Takt, zwei innerstädtische Buslinien (70 und 89) sowie Regionalbusse führten von der dort gelegenen Haltestelle ab. Die Fahrplanauskunft der Leipziger Verkehrsbetriebe weise für Samstage allein in der Zeit von 12:00 Uhr bis 12:20 Uhr volle 12 Abfahrten aus.

Hinzu komme der Individualverkehr sowie Passanten, die zahlreich die Ladengeschäfte und gastronomischen Einrichtungen in der unmittelbaren Umgebung aufsuchten. Der Schwerpunkt des Geschehens an diesem Ort sei eindeutig die übliche Nutzung gewesen. Die Demonstration mit etwa 100 Teilnehmenden gegen 12:00 Uhr sei keineswegs bestimmend für den Verkehr am Connewitzer Kreuz gewesen. Auch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit müssten nicht zwingend und ausschließlich auf einer spezifisch versammlungsrechtlichen Grundlage beruhen. Das Versammlungsgesetz enthalte mithin keine abschließende Regelung für die Abwehr aller Gefahren, die im Zusammenhang mit Versammlungen auftreten könnten.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass§ 20 SächsVersG die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen anlässlich von Versammlungen regele. Andere Rechtsgrundlagen, die zu anderen Zwecken die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen erlauben würden, blieben davon unberührt. Vertiefend wird dargelegt, dass sich dies aus der Gesetzesbegründung (Drs. 5/12799) ergebe. Das Versammlungsrecht sei in dieser Hinsicht aufgrund der Im Wesentlichen unterschiedlichen Talbestandsvoraussetzungen nicht als Iex specialis gegenüber polizeirechtlichen Eingriffsbefugnissen mit anderer Zielrichtung zu betrachten.

Ganz im Gegenteil sei zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen nach § 37 Abs. 2 SächsPolG an den "gefährlichen Ort" i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SächsPolG geknüpft sei. Die dort gegebene Definition sei nicht personen- sondern ausschließlich ortsbezogen. Jede Person, die sich an diesem Ort aufhalte, unterliege der Geltung dieser Vorschrift. Der Gesetzgeber habe in § 37 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen an gefährlichen Orten ausdrücklich auch in dem Fall erlaubt, wenn davon „Dritte unvermeidbar betroffen werden". Damit behalte diese polizeiliche Maßnahme auch im Zusammentreffen mit einer Versammlung grundsätzlich ihre Rechtmäßigkeit. Hier träfen demnach zwei gleichrangige Rechtsnormen mit unterschiedlichen Schutzzwecken aufeinander. Vertiefend legt er dar, dass es dabei keinen Automatismus in dem Sinne geben könne, dass bei der Durchführung einer Versammlung an einem gefährlichen Ort zwingend die dortige Videoaufzeichnung einzustellen wäre. Auf abstrakter Ebene könne bei der Abwägung darauf abgestellt werden, dass § 37 Abs. 2 SächsPolG bei den Rechtsfolgen differenziert anzuwenden sei. So sei die Datenerhebung ausdrücklich zulässig, soweit Dritte - hier: Versammlungsteilnehmer – unvermeidbar betroffen würden.

Davon abzugrenzen sei die Weiterverarbeitung der Daten, die nur bei Personen vorgenommen werden dürfe, die unmittelbar in den Geltungsbereich der Vorschrift fielen, nicht aber bei unvermeidbar betroffenen Dritten. Schon an dieser Stelle werde klar, dass der Eingriff in die Versammlungsfreiheit bereits auf gesetzgeberischer Ebene auf ein Minimum beschränkt sei. Die konkrete Abwägung im vorliegenden Einzelfall habe ermessensfehlerfrei stattgefunden. Ermessensfehler seien nicht erkennbar und seitens der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

Grundsätzlich sei darauf hinzuweisen, dass die Einrichtung stationärer Videoüberwachung zur Kriminalprävention hohen Hürden unterliege und nur an wenigen Orten erfolge. Die Kamera liefere reine Übersichtsaufnahmen des beobachteten Bereichs. Laut Ziff. 5 der vom Beklagten vorgelegten Dienstanweisung Videoüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten vom 11.1.2013 (Az.: PVC 3-1220.90n /2012) sei die Kameraeinstellung grundsätzlich als Übersichtsaufnahme und so zu wählen, dass eine Erhebung personenidentifizierender Merkmale nicht möglich sei. Nach der Dienstanweisung dürfe aber dann herangezoomt werden, wenn sich im Verlauf der Überwachung konkrete Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat ergäben. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei in diesen Fällen schon sorgfältig abgewogen. Die Eingriffstiefe werde somit auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt.

Bei Hinzutreten anderer betroffener Grundrechte sei weiterhin das Interesse der Bürger an Schutz vor Straftaten in die neu erforderliche Abwägung einzustellen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der lediglich 100 Teilnehmende umfassende Demonstrationszug nur einen Bruchteil des gesamten Verkehrsaufkommens am Connewitzer Kreuz an einem Samstag dargestellt habe. Die Situation sei also eindeutig weiterhin von dem Geschehen dominiert gewesen, das nicht gesondert von der Versammlungsfreiheit geschützt sei. Das Recht der Nichtteilnehmer auf Schutz ihrer von Verfassung wegen garantierten Rechtsgüter habe daher weiterhin ein großes Gewicht. Im Übrigen sei es im Wesentlichen eine Entscheidung des Anmelders, an welchem Ort bzw. auf welcher Strecke er die Versammlung durchführen wolle. Wenn der Anmelder die Befürchtung hege, dass potenzielle Teilnehmer aufgrund Innerer Vorbehalte nicht an der Versammlung teilnehmen wollten, dann bestehe immer noch die Möglichkeit, eine andere, vergleichbare Route zu wählen, die nicht an videoüberwachten Bereichen vorbeifahre. Im konkreten Fall habe der Bereich am Connewitzer Kreuz nur einen Bruchteil der gesamten Demonstrationsstrecke dargestellt. Auf dieser Teilstrecke wäre beispielsweise eine Streckenführung über die parallele Bernhard-Göring-Straße ohne weiteres denkbar gewesen.

Mit Schreiben vom 6. 7.2020 trägt der Beklagte weiter vor, es sei fraglich und diskussionswürdig, ob eine uneingeschränkte Berufung auf Art. 8 GG möglich sein solle, wenn eine Versammlung einen Ort passiere bzw. an diesem stattfinde, welcher videoüberwacht werde.

Diese Frage stelle sich insbesondere auch bei nicht angezeigten und dem Betreiber der Kamera damit regelmäßig erst nachträglich bekannten Spontanversammlungen. Insoweit bestünden tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten dahingehend, dass die Kamera mangels vorheriger Kenntnis überhaupt nicht vorab ausgestellt werden könne und grundsätzlich rechtmäßige Aufzeichnungen ohne jegliche Einflussmöglichkeit des Betreibers in der Regel in die Rechtswidrigkeit liefen. Nicht nur, dass die Versammlungsteilnehmer es bei angezeigten Versammlungen in der Hand hätten, die Videoüberwachung sogar vollständig zu verhindern, wenn z. B. eine ganzjährige Mahnwache i. S. einer Versammlung angezeigt werde.

Bei Spontanversammlungen würde der Betrieb der Kamera zudem plötzlich einer anderen rechtlichen Bewertung unterworfen, ohne dass der Belreiber hierauf reagieren könne. Des Weiteren führt er vertiefend aus, dass jedenfalls kein finaler Eingriff in die Versammlungsfreiheit vorliege, wenn eine Versammlung eine Örtlichkeit passiere oder an dieser stattfinde, welche als solche videoüberwacht werde, da der Zweck der Bildaufzeichnungen gerade nicht die Überwachung der Versammlung selbst sei. Ein Eingriff sei nur dann zu bejahen, wenn ein vernünftiger Mensch in der Situation des Betroffenen ernsthaft in Betracht ziehen würde, aufgrund der staatlichen Maßnahme von der Versammlung Abstand zu nehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass aufgrund des digitalen Wandels die Eingriffsintensität von Videoaufzeichnungen im öffentlichen Bereich deutlich zurückgegangen sei. Es dürfte mithin unter Berücksichtigung der mittlerweile gegebenen Lebenswirklichkeit nicht davon auszugehen sein. dass sich ein vernünftiger Mensch von der Videoüberwachung einer Örtlichkeit von der Teilnahme an einer Versammlung abhalten lasse.

Des Weiteren trägt der Beklagte vertieft dazu vor, dass es sich beim Connewitzer Kreuz um einen gefährlichen Ort i. S. v. § 19 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG handele. Entscheidend sei das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, welche sich z. B. aus dem Kriminalitätslagebild im relevanten örtlichen Bereich ergäben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die vom Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung waren.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage hat Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

Sie ist als Feststellungsklage nach § 43 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthaft. Eine vorrangige sonstige Klage (§ 43 Abs. 2 VwGO} kommt vorliegend nicht in Betracht.

Die Frage, ob der Beklagte gegenüber der Klägerin zur Vornahme eines Realaktes - hier der (behaupteten) Anfertigung von Videoaufnahmen - berechtigt war, stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 43 Rn. 11). Unerheblich ist dabei, dass sich die Aufnahmetätigkeit einschließlich der Speicherung der gefertigten Bilder mittlerweile durch Zeitablauf erledigt hat, denn Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage kann auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein (BVerwG, Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2/95 -. NJW 1997, 2534).

Das Rechtsverhältnis, das festgestellt werden soll, ist auch hinreichend konkret. Zwar können abstrakte und rein hypothetische Rechtsfragen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (Kopp/Schenke, a. a. 0., § 43 Rn. 14), um eine solche abstrakte Frage geht es hier jedoch nicht. Gegenstand der Klage ist nicht die Frage, ob die Durchführung von Videoaufnahmen zulässig gewesen wäre, sondern - nach dem Begehren der Klägerin - die Rechtmäßigkeit von konkret durchgeführten Aufnahmen.

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Dieses folgt aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr im Lichte des möglichen Grundrechtseingriffs (Art. 8 GG). Ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Verwaltungsmaßnahme kommt nicht nur in Betracht, wenn von dieser eine nachwirkende Diskriminierung ausgeht. Ebenso kann die Art des Eingriffs es erfordern, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Dazu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben, in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe. in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann (BVerwG, Beschl. v. 3.2.1999- 1 PKH 2/99 -, juris).

In versammlungsrechtlichen Verfahren - wie hier - sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit.

Gemessen hieran ist das besondere Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn der mögliche Grundrechtseingriff darin liegt, dass potenzielle Teilnehmer der Versammlung durch die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen abgehalten werden können. Darüber hinaus ist vorliegend eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr gegeben, denn die Klägerin beabsichtigt auch künftig, Versammlungen am Connewitzer Kreuz durchzuführen.

Angesichts des Festhaltens des Beklagten an seiner Rechtsauffassung ist auch mit einer künftigen Beeinträchtigung durch die dort zur allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung angebrachte Kameratechnik zu rechnen.

Eine andere Betrachtung ist auch nicht im Hinblick auf das am 1.1.2020 in Kraft getretene Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz - SächsPVDG - veranlasst, denn die maßgeblich vom Beklagten herangezogene Regelung des § 37 Abs. 2 SächsPolG entspricht im Wesentlichen der Neuregelung in § 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG.

Die Klägerin ist auch klagebefugt, denn es erscheint zumindest möglich, dass sie als Anmelderin der Versammlung durch die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen nach § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG oder ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ist.

2. Die Klage ist auch begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, denn die Bild- und Tonaufnahmen der Demonstrationsteilnehmer am Connewitzer Kreuz während der von der Klägerin angemeldeten Demonstration am 6.4.2019 in dem Bereich Leopoldstraße/Ecke WolfgangHeinze-Straße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße waren rechtswidrig und haben die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

a) Durch die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen hat der Beklagte in das Versammlungsrecht der Demonstrationsteilnehmer gemäß Art. 8 GG eingegriffen. Der Schutzbereich von Art. 8 GG wird durch alle finalen oder unbeabsichtigten, unmittelbaren oder mittelbaren, rechtlichen oder faktischen Maßnahmen der Versammlungsbehörden bzw. der Polizei tangiert, die sich auf versammlungstypische Verhaltensweisen beziehen und dem jeweiligen Grundrechtsträger seinen Grundrechtsgebrauch ganz oder teilweise unmöglich machen (Kniesei in: Dietel, Gintzel, Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl. Teil I Rn. 234). Nach dem modernen Eingriffsbegriff, der sich jedenfalls für die speziellen Grundrechte durchgesetzt hat, genügt für einen Eingriff jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 -. BVerfGE 105, 279, 299- 301; VG Berlin, Urt. v. 5.7.2010- 1 K 905.09-, juris Rn. 15).

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit kann daher auch durch faktische Maßnahmen beeinträchtigt werden, wenn diese in ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen und eine abschreckende oder einschüchternde Wirkung entfalten bzw. geeignet sind, die freie Willensbildung und die Entschließungsfreiheit derjenigen Personen zu beeinflussen, die an Versammlungen teilnehmen (wollen). Ebenso wie Grundrechte nicht nur durch Rechtsakte, sondern auch durch staatliche Realakte, die tatsächlich Auswirkungen auf eine Grundrechtsposition haben, beeinträchtigt werden können, ist allgemein anerkannt, dass Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht nur final, sondern auch faktisch als (un-)beabsichtigte Nebenfolge eines auf ganz andere Ziele gerichteten Staatshandeins erfolgen können (NdsOVG, Urt. v. 24.9.2015 -11 LC 215/14 -; juris Rn. 26; BayVGH, Urt. v. 15.7.2008-10 BV 07.2143-, juris Rn. 23).

Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls anhand eines objektiven Beurteilungsmaßstabs festgestellt werden. Dabei ist nicht die subjektive Bewertung einzelner konkret betroffener Personen maßgeblich. Vielmehr ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsanwendungsgleichheit ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen und auf die Sichtweise eines sog. verständigen Dritten abzustellen. Entscheidend ist, ob ein vernünftiger Mensch in der Situation des oder der Betroffenen ernsthaft in Betracht ziehen würde, aufgrund der staatlichen Maßnahme von der Teilnahme an der (bevorstehenden) Versammlung in der geplanten Form Abstand zu nehmen (OVG NRW, Beschl. v. 13.3.2020,- 15 B 332/20-, juris).

Art. 8 GG garantiert mit der inneren Versammlungsfreiheit die individuelle Entschlussfassung, an der kollektiven Meinungsbildung in freier Selbstbestimmung teilzunehmen. Diese Entschlussfassung muss freibleiben von Unsicherheit, Angst und Einschüchterungseffekten, denn wer damit rechnen muss, dass seine Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten (Kniesel, a. a. 0., Rn. 237; § 12a Rn. 4). Denn wenn der einzelne Teilnehmer der Versammlung damit rechnen muss, dass seine Anwesenheit oder sein Verhalten bei einer Veranstaltung durch Behörden registriert wird, könnte ihn dies von einer Teilnahme abschrecken oder ihn zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.2.2007 - 1 BvR 2368/06 -, DVBI 2007, 497- 502). Durch diese Einschüchterung der Teilnehmer könnte mittelbar auf den Prozess der Meinungsbildung und demokratischen Auseinandersetzung eingewirkt werden (VG MOnster, Urt. v. 21.8.2009- 1 K 1403/08-, juris Rn. 13).

Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltenswelsen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 • 1 BvR 209/83 -. BVerfGE 65, 1, 43- Volkszählung; BVerfG, Beschl. v. 17.2.2009- 1 BvR 2492/08 -. BVerfGE 122, 342, 369). Bereits das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in bestimmter Weise festgehalten wird, kann daher Einschüchterungswirkungen („chilling effect") haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken.

Wegen der Reichweite des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ist in der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass auch die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen, also die Speicherung von Bild- und Tonaufnahmen, angesichts des heutigen Stands der Technik für die Aufgezeichneten immer einen Grundrechtseingriff darstellt, da auch in Übersichtsaufzeichnungen die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.2.2009- 1 BvR 2492108-, a. a. 0., juris). Ferner stellt auch die bloße Beobachtung einer Versammlung durch die Polizei mittels Bildübertragung (sog. Kamera-Monitor-Prinzip) einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 14.3.2019 -- 7 A 472117 -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 19.2.2019 - 14 K 7046/16 -; VG Berlin, Urt. v. 5.7.2010- 1 K 905.09 -; VG Münster, Urt. v. 21.8.2009- 1 K 1403/08 -; OVG NRW, Beschl. v. 23.11.2010 • 5 A 2288/09 -; OVG Rh-Pflz, Urt. v. 5.2.2015-7 A 10683/14 -;jeweils juris). Ob die Aufnahmen tatsächlich auch gespeichert wurden, kann der einzelne Versammlungsteilnehmer nicht wissen (vgl. VG Berlin, Urt. v. 5.7.2010- 1 K 905.09 -, juris Rn. 16 - 17).

Gleiches gilt für die Frage, ob die Personen durch die Aufnahmen individualisierbar sind oder nicht. Denn auch dies kann der Versammlungsteilnehmer nicht wissen, im Gegenteil darf er nach den heutigen technischen Möglichkeiten im Zweifel davon ausgehen. Schließlich ist es auch unerheblich, dass die Aufnahmen nur eine kurze Strecke der Versammlung betrafen, nämlich nur den Abschnitt entlang des Connewitzer Kreuzes in dem Bereich Leopoldstraße/ Ecke Wolfgang-Heinze-Straße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße. Denn für die einschränkende Wirkung genügen auch kurzzeitige oder örtlich beschränkte Videoaufnahmen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten entfaltet daher aus Sicht eines sog. Verständigen Dritten auch eine fest installierte Kameratechnik zur Überwachung der Örtlichkeit eine Abschreckungswirkung für potenzielle Versammlungsteilnehmer und stellt einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Denn aus Sicht des betroffenen Demonstrationsteilnehmers dürfte es keine Rolle spielen, auf welcher technischen oder rechtlichen Grundlage die Überwachung stattfindet. Auch eine nach § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) im öffentlichen Verkehrsraum montierte Kamera birgt Abschreckungspotenzial, jedenfalls als (un-)beabsichtigte Nebenfolge eines auf ganz andere Ziele gerichteten Staatshandelns.

Die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen ist vorliegend - wie vom Beklagten vorgetragen - zwar unstreitig mit einer anderen Zielsetzung "ortsbezogen“ und nicht "versammlungsteilnehmerbezogen" erfolgt. Dennoch ist auch in einem solchen Fall bei der Überwachung des Kriminalitätsschwerpunkts nach § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit als unbeabsichtigte Nebenfolge gegeben, da auch hierdurch potenzielle Teilnehmer abgeschreckt werden können. Eine andere Betrachtung ist auch nicht deswegen geboten, wenn entsprechend der Dienstanweisung bloße Übersichtsaufnahmen der Örtlichkeit ohne technische Möglichkeit einer Gesichtserkennung gefertigt werden, die zeitnah gelöscht und nicht verwerten werden. Denn dies ist den potenziellen Versammlungsteilnehmern im maßgeblichen Zeitpunkt nicht bekannt und vermag an der Abschreckungswirkung nichts zu ändern.

Soweit der Beklagte sich zur fehlenden Abschreckungswirkung auf zurückliegende Erfahrungen mit dem Versammlungsgeschehen beruft, ist weder dargetan noch ersichtlich, dass tatsachenfundierte Erkenntnisse zu etwaigen abgeschreckten potentiellen Versammlungsteilnehmern vorliegen. Auch lassen entgegen der Auffassung des Beklagten die in sozialen Medien zunehmend veröffentlichten Filmaufnahmen von Versammlungen die Eingriffsqualität nicht entfallen, denn bei derartigen Aufnahmen handelt es sich regelmäßig bereits nicht um staatlich angeordnete Maßnahmen.

Soweit der Beklagte maßgeblich darauf abstellt, ob das Versammlungsgeschehen mit Blick auf das hohe allgemeine Verkehrsaufkommen am Versammlungsort Connewitzer Kreuz die Örtlichkeit dominiere, bedingt dies keine Verneinung des Eingriffs, denn auch bei einem nicht dominierenden Versammlungsgeschehen ist das beschriebene Abschreckungspotenzial - unabhängig von Verweildauer und Teilnehmeranzahl der von der Videoüberwachung betroffenen Versammlung und dem sonstigen Geschehen im Bereich des Versammlungsortes - gegeben. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in einem Fall, in dem die fest zur Videobeobachtung eines Schwerpunkts der Straßenkriminalität installierten Kameras zwar ausgeschaltet, aber nicht abgedeckt waren, entschieden, dass selbst bei Nichtabdeckung der Kameras wegen des objektiven Einschüchterungs- und Abschreckungseffekts losgelöst von der eigentlichen versammlungsunabhängigen Zweckrichtung der Kamerainstallation ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG gegeben sei (OVG NRW, Beseht. v. 13.3.2020,-15 B 332120-, juris) und dabei wie folgt ausgeführt:

„( ... ) Dabei ist die Anfertigung von Übersichtsaufzeichnungen von einer Versammlung mit Foto- und/oder Videotechnik nach dem heutigen Stand der Technik für die Aufgezeichneten immer ein Grundrechtseingriff, weil die Einzelpersonen auch in Übersichtsaufzeichnungen in der Regel individualisierbar mit erfasst sind. Sie können, ohne dass technisch weitere Bearbeitungsschritte erforderlich sind, durch schlichte Fokussierung erkennbar gemacht werden, so dass einzelne Personen identifizierbar sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufzeichnungen und personenbezogenen Aufzeichnungen besteht diesbezüglich, jedenfalls nach dem Stand der heutigen Technik, nicht. Die polizeiliche Erstellung von Übersichtsaufzeichnungen führt daher zu gewichtigen Nachteilen. Sie begründet für Teilnehmer an einer Versammlung das Bewusstsein, dass ihre Teilnahme und die Form ihrer Beiträge unabhängig von einem zu verantwortenden Anlass festgehalten werden können und die so gewonnenen Daten über die konkrete Versammlung hinaus verfügbar bleiben.

Dabei handelt es sich überdies um sensible Daten. ln Frage stehen Aufzeichnungen, welche die gesamte - möglicherweise emotionsbehaftete – Interaktion der Teilnehmer optisch fixieren und geeignet sind, Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen zu geben. Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist. Dies gilt auch für "flüchtige", d. h. nicht gespeicherte Aufnahmen bzw. Bildübertragungen. Ohne Eingriffsqualität können demgegenüber unter Umständen bloße Übersichtsaufnahmen sein, die erkennbar der Lenkung eines Polizeieinsatzes namentlich von Großdemonstrationen dienen und hierfür erforderlich sind, oder die reine Beobachtung durch begleitende Beamte. Gemessen an diesen Maßstäben ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege ein Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG vor, bei summarischer Betrachtung nicht zu beanstanden.

( ... ) Es ist bei summarischer Prüfung unerheblich, dass die Kamerainstallation im Normalbetrieb keinen versammlungsspezifischen Bezug hat. Denn jedenfalls greift sie nach den dargelegten Maßstäben bei Durchführung einer Versammlung auf der observierten Fläche in die Versammlungsfreiheit ein. Die Kamerainstallation weist aufgrund ihres sichtbaren Vorhandenseins während der Versammlung einen räumlichen und zeitlichen Versammlungsbezug auf, mit dem der besagte potentielle- objektive - Einschüchterungs- und Abschreckungseffekt losgelöst von der eigentlichen Zweckrichtung der Kamerabeobachtung verknüpft ist. Da die Zielrichtung der Kamerapräsenz nicht offen zu Tage tritt, kann deren Eingriffscharakter prinzipiell nicht davon abhängen, wie es die Beschwerde postuliert, ob die Sicherheitsbehörden diese gerade aus Anlass der Versammlung herstellen. Aus der Sicht der Versammlungsteilnehmer ist ebenso gut denkbar, dass die Polizei die - aus an sich versammlungsunabhängigen Gründen - vorhandenen Kameras nutzt, um ein sich vor diesen Kameras entfaltendes Versammlungsgeschehen zu beobachten und aufzunehmen ( ... )" (OVG NRW, Beschl. v. 13.3.2020,-15 B 332/20-, juris).

Es kann dahinstehen, ob der Eingriff selbst bei abgeschalteter, aber nicht abgedeckter, Kameratechnik - wie vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bejaht - gegeben ist. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall bei offenem Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder-aufzeichnungen von Personen gemäß § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) ein Eingriff in Art. 8 GG zu bejahen.

b) Der Eingriff in die Demonstrationsfreiheit nach Art. 8 GG ist in vorliegendem Fall nicht durch die Erhebung personenbezogener Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen an einem Kriminalitätsschwerpunkt gemäß § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) gerechtfertigt. Bei der gebotenen versammlungsfreundlichen Auslegung und Handhabung des § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) wäre dem Interesse der Versammlungsteilnehmer durch die als milderes Mittel in Betracht kommende Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen des außerhalb des Demonstrationsgeschehens liegenden Bereichs des Connewitzer Kreuzes für den Zeitraum des Durchzugs der Demonstration Rechnung zu tragen gewesen.

Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann für Versammlungen unter freiem Himmel das Versammlungsrecht nach Art. 8 Abs. 1 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Mit lnkrafttreten des SächsPVDG wird seit dem 1.1.2020 in § 10 Nr. 5 SächsPVDG dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen, indem die Möglichkeit einer Grundrechtseinschränkung von Art. 8 GG und Art. 23 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen nunmehr in den Katalog der eingeschränkten Grundrechte aufgenommen wurde. Zwar war dies im zum Zeitpunkt der Maßnahme geltenden Sächsischen Polizeigesetz noch nicht der Fall, jedoch führt allein dies noch nicht zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme. Das Zitiergebot, das eine Warn- und Besinnungsfunktion erfüIIt, gilt nach seinem Sinn und Zweck nur für Gesetze, die darauf abzielen, ein Grundrecht über die in ihm selbst angelegten Grenzen hinaus einzuschränken. Deshalb findet das Zitiergebot auf nur mittelbare Grundrechtseingriffe in das Versammlungsrecht - wie hier als unbeabsichtigte Nebenfolge einer polizeilichen Maßnahme - keine Anwendung (VG Karlsruhe, Urt. v. 10.12.2018 - 1 K 6428/16 -, juris Rn. 38, 40).

aa) Auch wenn im vorliegenden Fall unstreitig die Tatbestandsvoraussetzungen von § 20 SächsVersG nicht gegeben sind, da die Polizei von Personen bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug Bild- und Tonaufnahmen nur offen und nur dann anfertigen darf, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von diesen Personen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei oder Im Zusammenhang mit der Versammlung ausgeht(§ 20 Abs. 1 S. 1 SächsVersG), und Übersichtsbildübertragungen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen sowie ihrem Umfeld nur offen und nur dann angefertigt werden dürfen, wenn und soweit dies wegen der Größe der Versammlung oder Unübersichtlichkeit der Versammlungslage zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes im Einzelfall erforderlich ist (§ 20 Abs. 2 SächsVersG), wofür vorliegend nichts ersichtlich ist, werden hierdurch die Normen des allgemeinen Polizeirechts nicht vollständig vom spezielleren Versammlungsrecht verdrängt.

Als Eingriffsgrundlage für die Erhebung personenbezogener Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen mittels fest installierter Videotechnik am Connewitzer Kreuz hat der Beklagte die im Zeitpunkt des Versammlungsgeschehens geltende Regelung des allgemeinen Polizeirechts herangezogen. Gemäß § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 SächsPVDG) kann der Polizeivollzugsdienst an den in § 19 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG genannten Orten und in den in § 19 Abs. 1 Nr. 3 genannten Objekten oder in deren unmittelbarer Nähe (§ 57 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 SächsPVDG) personenbezogene Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an Orten dieser Art oder an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, Sach- oder Vermögenswerte gefährdet werden. Die Erhebung kann auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden (§ 57 Abs. 8 SächsPVDG). Bild- und Tonaufnahmen können grundsätzlich nur dann auf das Polizeirecht gestützt werden, wenn nicht das allgemeine Polizeirecht vom spezielleren Versammlungsrecht verdrängt wird (sog. „Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts"; BVerfG, Beschl. v. 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -; VGH BW, Urt. v. 26.1.98- 1 S 3280/96- Rn. 39, juris).

Art. 8 GG erlaubt Beschränkungen von Versammlungen unter freiem Himmel nur nach Maßgabe des Art. 8 Abs. 2 GG. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich dementsprechend nach dem Versammlungsgesetz (vgl. BVerwG, NVwZ 1988, S. 250; OVG Bremen, StV 1987, S. 115). Seine im Vergleich zum allgemeinen Polizeirecht besonderen Voraussetzungen für beschränkende Maßnahmen sind Ausprägungen des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Dementsprechend geht das Versammlungsgesetz als Spezialgesetz dann dem allgemeinen Polizeirecht vor (BVerfG, Beschl. v. 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, juris Rn. 18).

Allerdings gilt dies nur soweit, wie der sachliche, zeitliche und personelle Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes eröffnet ist. Andere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr außerhalb der Versammlung bleiben grundsätzlich unberührt. Auf Befugnisse nach dem allgemeinen Polizeirecht kann deshalb bei Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnungen außerhalb einer Versammlung zurückgegriffen werden, z. B. nach Beendigung oder Auflösung der Versammlung bzw. gegen einzelne Personen, nachdem diese von der Versammlung ausgeschlossen wurden und bei polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld einer Demonstration (BVerwG, Beschl. v. 16.11.2010-6 B 58/10- juris; VG Lüneburg, Urt. v. 30.3.2004, NVwZ-RR 05,248; VG Frankfurt, Urt. v. 24.9.2014- 5 K 659/14.F). Nach § 20 Abs. 3 SächsVersG i. V. m. § 12 Abs. 3 SächsVersG bleiben zudem die Befugnisse zur Erhebung personenbezogener Daten nach Maßgabe der Strafprozessordnung - StPO - und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - unberührt. Auch eine repressive, strafverfolgende Tätigkeit, deren Befugnisse in der Strafprozessordnung (z. B. Bildaufnahmen nach § 1OOh StPO) bzw. im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten geregelt sind, wäre deshalb bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dies zeigt, dass die Vorschriften des allgemeinen Polizeirechts durch die Vorschriften des Versammlungsrechts nicht vollständig verdrängt werden.

Ausgehend hiervon werden die der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung an Kriminalitätsschwerpunkten gefertigten Bild- und Tonaufnahmen zur Erhebung personenbezogener Daten nach § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) auch bei zeitgleich dort stattfindendem Versammlungsgeschehen nicht vollständig verdrängt. Die Eingriffsnorm des allgemeinen Polizeirechts richtet sich, wie vom Beklagten ausgeführt, nicht gegen die Versammlungsteilnehmer, sondern dient allein der allgemeinen Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung an einem als besonders gefährlich eingeschätzten Ort. Allein dadurch, dass an diesem Ort eine Versammlung abgehalten wird, lässt dies nicht die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme entfallen, zumal die Zulässigkeit der Erhebung personenbezogener Daten durch Bild- und Tonaufnahmen nach § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) an andere Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere an das Vorliegen eines Kriminalitätsschwerpunkts, geknüpft ist.

Jede Person, die sich an diesem Ort aufhält, unterliegt damit zunächst einmal der Geltung dieser Vorschrift. Wie vom Beklagten vorgetragen, sind die streitigen Videoaufnahmen gerade nicht „bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug" i. S. v. § 20 SächsVersG erfolgt, sondern allein wegen des vom Beklagten bejahten Schwerpunkts der Straßenkriminalität. Die Videoaufnahmen sind in diesem Sinne nicht personen-, d. h. versammlungsteilnehmerbezogen, sondern ausschließlich ortsbezogen veranlasst gewesen.

Das Versammlungsgesetz enthält auch keine vorrangige Regelung zur Handhabung der an einem gefährlichen Ort fest installierten Videoüberwachung bei Stattfinden einer Versammlung an einem als Kriminalitätsschwerpunkt eingestuften Versammlungsort. Aus der Gesetzesbegründung ist hierzu ebenfalls nichts Weiterführendes abzuleiten (Drs. 5/12799, S. 4, 17). Die Gesetzesänderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes diente der Schaffung eines einheitlichen, an Art. 8 GG und Art. 23 SächsVerf orientierten Instrumentariums für die Polizei zum Schutz der Versammlungsfreiheit vor Gefährdungen sowie zum Schutz der Versammlungsfreiheit vor Gefährdungen sowie zum Schutz sonstiger hochrangiger Rechtsgüter vor Gefährdungen, die sich aus der Versammlung ergeben (Drs. 5/12799, S. 6). Der Landesgesetzgeber hat somit zwischen Versammlungsrecht und sonstigen Veranstaltungen differenzierende Regelungen geschaffen. Den vorliegenden Fall hatte er dabei jedoch ersichtlich nicht im Blick.

bb) Der Eingriff in die Demonstrationsfreiheit nach Art. 8 GG ist jedoch in vorliegendem Fall nicht durch § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) gerechtfertigt, denn der Beklagte hat bei seiner Entscheidung, die allgemeine Videoüberwachung des als Kriminalitätsschwerpunkt angesehenen Connewitzer Kreuzes für den Zeitraum des Durchzugs der Demonstranten im Bereich Leopoldstraße/Ecke Wolfgang-Heinze-Straße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße nicht einzuschränken, die Eingriffsnorm des § 37 Abs. 2 SächsPolG (57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG} weder in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise versammlungsfreundlich ausgelegt noch gehandhabt. Durch eine entsprechende versammlungsfreundliche einschränkende Auslegung und Handhabung hätte der Kollision der Videoüberwachung mit dem Versammlungsrecht (Art. 8 GG) im vorliegenden Einzelfall ohne weiteres durch die Wahl einer milderen Einschränkung Rechnung getragen werden können (vgl. VGH BW, Urt. v. 21.7.2003- 1 S 377/02 -, juris Rn. 64). Dies ist jedoch trotz entsprechender Möglichkeit unterblieben.

Es kann daher in vorliegendem Verfahren dahinstehen, ob der Beklagte den Kriminalitätsschwerpunkt zutreffend begründet hat, indem er die Kriminalitätsbelastung am Connewitzer Kreuz mit derjenigen des Gemeindegebiets Connewitz ins Verhältnis gesetzt hat. ln der Neuregelung in § 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG ist von einem Kriminalitätsschwerpunkt dann auszugehen, wenn nach polizeilich dokumentierten Tatsachen die Kriminalitätsbelastung gegenüber der des Gemeindegebiets deutlich erhöht ist.

Die Erhebung personenbezogener Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen der Demonstrationsteilnehmer in dem Bereich Leopoldstraße/Ecke Wolfgang-Heinze-Straße, bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße während des Durchzugs der Demonstration war vorliegend bereits nicht "unvermeidbar“ i. S. v. § 37 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 8 SächsPVDG). Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 8 SächsPVDG) kann die Erhebung personenbezogener Daten durch Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen an Kriminalitätsschwerpunkten durchgeführt werden, wenn Dritte hiervon unvermeidbar betroffen werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn bei den Dritten i. S. v. § 37 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 8 SächsPVDG) handelte es sich hier um friedliche Versammlungsteilnehmer einer angezeigten Versammlung. Die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen dieser Demonstrationsteilnehmer war vermeidbar, denn dem Beklagten standen mildere Mittel zur Verfügung, um eine Datenerhebung Unbeteiligter zu vermeiden. Bei der gebotenen versammlungsfreundlichen Auslegung und Handhabung des § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) hätte es dem Beklagten oblegen, die zur Verfügung stehenden technische Mittel zur Minimierung des Eingriffs zu erwägen.

Die Datenerhebung der Versammlungsteilnehmer war vorliegend nicht "technisch unvermeidbar“ i. S. v. § 37 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG. Der Referatsleiter Kriminalitätsbekämpfung im Führungsstab der Polizeidirektion Leipzig hat erstmals in der mündlichen Verhandlung die technische Funktionsweise der Kamera einschließlich der Möglichkeiten erläutert, die Erhebung personenbezogener Daten durch Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen auf einen Bereich außerhalb des Demonstrationsgeschehens zu beschränken.

Die Klägerin hat daraufhin ihren Antrag dahingehend auf die Feststellung konkretisiert, dass die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen der Demonstration der Klägerin am 6.4.2019 in dem Bereich Leopoldstraße/Ecke Wolfgang-Heinze-8traße bis Kochstraße kurz vor Einmündung Scheffelstraße rechtswidrig gewesen sei. Auf die Anfrage der Klägerin im Vorfeld der Demonstration hin hätte es dem Beklagten oblegen, auf die zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten zur Minimierung des Eingriffs durch die Beschränkung der Erhebung personenbezogener Daten durch Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen auf einen Bereich außerhalb des Demonstrationsgeschehens hinzuweisen. Bei einem Einverständnis der Klägerin, wofür auch der Im vorliegenden Verfahren konkretisierte Antrag spricht, wäre der Beklagte gehalten gewesen, den mildesten Eingriff in die Rechte der Versammlungsteilnehmer zu wählen. Entsprechende Erwägungen sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, insbesondere auch nicht in der Verwaltungsakte dokumentiert.

Die Datenerhebung war vorliegend auch nicht „faktisch unvermeidbar“ i. S. v. § 37 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG. Bereits im Vorfeld der unter dem 28.3.2019 unter Mitteilung der Demonstrationsroute angezeigten Demonstration hatte sich die Klägerin am 2.4.2019 an den Beklagten gewandt und um eine Prüfung der Abschaltung der Kameratechnik und Rückäußerung gebeten. Die Entscheidung über eine Abschaltung der Videokameras wurde nach dem Beklagtenvortrag auch in der Einsatzbesprechung des Beklagten unmittelbar vor Beginn des Einsatzes am 6.4.2019 thematisiert und negativ entschieden. Entsprechende Erwägungen, vor welchem Hintergrund auch für den Zeitraum des Durchzugs der Demonstranten auch für den Bereich der Demonstrationsstrecke eine Videoüberwachung unerlässlich erschien, sind weder in den Verwaltungsakten dokumentiert noch ersichtlich.

Soweit die Vertreterin des Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass es immer eine Einzelfallentscheidung sei, wann die Kamera bei Versammlungen abgestellt werde, hätte es nahe gelegen, dass die tragendenden Erwägungen der getroffenen Einzelfallentscheidung dokumentiert werden. Dass dies unterblieben ist, lässt jedenfalls Erwägungen zur gebotenen versammlungsfreundlichen Auslegung und Handhabung der Videoüberwachung nicht erkennen. Der Beklagte hatte im vorliegenden Fall - möglicherweise im Gegensatz zu den vom Beklagten angeführten .,Spontandemonstrationen" - somit ausreichend Gelegenheit zur Überprüfung und Dokumentation. Dementsprechend hätte der Beklagte erwägen können und müssen, dass bei einer versammlungsfreundlichen Auslegung des § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) auch weniger stark in die Rechte der Versammlungsteilnehmer eingreifende Maßnahmen zur Verfügung standen.

Wie der Mitteilung des Beklagten vom 3.4.2019 an die Versammlungsbehörde zu entnehmen ist, in der zur Begründung auf die Antwort des Staatsministeriums des lnnern vom 13.7.2018 zur Kleinen Anfrage, Drs. 8/13751, sowie die Antwort auf die Nachfrage hierzu, Drs. 8/14167, vom 21.8.2018 verwiesen wurde, hat die Polizeidirektion Leipzig die Auffassung vertreten, dass es keinen Automatismus geben solle, nach der die spontane oder im Rahmen einer Anzeige angekündigte Entscheidung eines Veranstalters, in einem solchen Bereich eine Versammlung durchzuführen, zur Beendigung der bestehenden Gefahrenabwehrmaßnahmen führt, da die Abschaltung in diesem Fall einer Abschaltung durch die Versammlungswilligen selbst gleich komme.

Weitergehende Erwägungen insbesondere unter Hinweis auf weniger beeinträchtigende technische Möglichkeiten sind weder im Vorfeld der Versammlung noch auf Nachfrage der Klägerin anlässlich der Versammlung an diese kommuniziert worden. Dafür, dass die Klägerin nach einem entsprechenden Hinweis in einem Kooperationsgespräch weniger beeinträchtigende Maßnahmen abgelehnt und auf einer kompletten Abschaltung der fest installierten Kameratechnik am Connewitzer Kreuz bestanden hätte, ist nichts ersichtlich.

cc) Eine andere Betrachtung ist auch nicht vor dem Hintergrund der vom Beklagten in vorliegendem Verfahren angeführten Erwägungen geboten. Soweit der Beklagte erwogen hat, dass die Einrichtung stationärer Videoüberwachung zur Kriminalprävention hohen Hürden unterliege, nur an wenigen Orten erfolge und lediglich Übersichtsaufnahmen gefertigt worden, weshalb die Eingriffstiefe ohnehin auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt sei, wurde zwar das allgemeine Recht der von der Überwachung Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung berücksichtigt, das besondere Interesse der Versammlungsteilnehmer an staatlich unregistrierter Demonstrationsteilnahme wurde indes nicht gewürdigt.

Soweit der Beklagte einen Anmelder, der die Befürchtung hege, dass potenzielle Teilnehmer aufgrund innerer Vorbehalte nicht an der Versammlung teilnehmen wollten, auf eine andere, nicht überwachte Versammlungsroute verweist, wird dem Versammlungsrecht keine ausreichende Geltung verschafft, da es grundsätzlich dem Anmelder freisteht, den Ort der Demonstration mit der für sein Anliegen größten Wirkungsmacht – wie beim Connewitzer Kreuz als Stadtteilzentrum - zu wählen.

Auch die maßgebliche Erwägung des Beklagten, dass zu berücksichtigen sei, dass der lediglich 100 Teilnehmende umfassende Demonstrationszug nur einen Bruchteil des gesamten Verkehrsaufkommens am Connewitzer Kreuz an einem Samstag dargestellt habe, trägt nicht. Denn der Beklagte hat hierbei allein auf die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer abgestellt, ohne dass in den Blick genommen wurde, dass auch bei einer „nicht dominierenden" Menge an Demonstranten – wie vorstehend ausgeführt - die gleiche Abschreckungswirkung wie bei einer die Örtlichkeit „dominierenden" Versammlung vorliegt. Gerade bei einem den überwachten Kriminalitätsschwerpunkt nur für kurze Dauer und in einem begrenzten räumlichen Umfang tangierenden Demonstrationsgeschehen ist eine temporäre und räumlich beschränkte Kameraeinstellung in versammlungsfreundlicher Auslegung und Handhabung des § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) zu erwägen.

Soweit der Beklagte auf das die Örtlichkeit dominierende Demonstrationsgeschehen abstellt, verbleibt für eine demonstrationsfreundliche Handhabung kaum Raum. Denn bei einem dominierenden Demonstrationsgeschehen dürfte ohnehin wegen der Größe der Versammlung oder Unübersichtlichkeit der Versammlungslage zur Lenkung und Leitung eines Polizeieinsatzes die spezielle Regelung des § 20 Abs. 2 SächsVersG greifen.

Der Beklagte hat auch nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, inwieweit dem Recht der Nichtteilnehmer der Versammlung auf Schutz ihrer von Verfassung wegen garantierten Rechtsgüter im übrigen Bereich des überwachten Platzes und jenseits des friedlichen Demonstrationsgeschehens ausreichend auf andere Weise Geltung verschafft werden kann. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Streckenverlauf des Demonstrationszugs im Bereich des Connewitzer Kreuzes im Zeitraum des Durchzugs der Demonstranten am 6.4.2019 einer über die allgemeine Gefahr des Kriminalitätsschwerpunkts hinausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterlag, der nicht anders als durch den Einsatz der fest installierten Videotechnik begegnet werden konnte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die öffentliche Sicherheit und Ordnung ebenso durch die das Demonstrationsgeschehen regelmäßig begleitenden Einsatzkräfte der Polizei gewährleistet werden kann.

Soweit der Beklagte - wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung angeführt - auf die allgemeine Abschreckungswirkung der fest installierten Überwachungskamera abstellt, bedingt diese gerade keine Aufnahmen des Demonstrationsgeschehens. Die Abschreckungswirkung kann ohne weiteres auch bei einem eingeschränkten Aufnahmebereich erhalten bleiben, wenn der genaue Aufnahmebereich der Kamera - insoweit entgegen der angeführten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschl. v. 13.3.2020, - 15 B 332/20 -. juris), wie hier, für Dritte nicht erkennbar ist.

Auch soweit der Beklagte einen Automatismus befürchtet, nach dem die spontane oder im Rahmen einer Anzeige angekündigte Entscheidung eines Veranstalters, in dem Bereich der Videoüberwachung nach § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) eine Versammlung durchzuführen, zur Beendigung der bestehenden Gefahrenabwehrmaßnahmen führe, überzeugt dies nicht. Letztlich hat es nicht der Versammlungsanmelder in der Hand, ob mildere Maßnahmen in Form einer Einschränkung des Aufnahmebereichs in Betracht kommen. Denn diese Entscheidung ist - wie auch von der Vertreterin des Beklagten zutreffend in der mündlichen Verhandlung dargelegt - eine Einzelfallentscheidung. Der Beklagte geht allerdings fehl, wenn er spontane und rechtzeitig angezeigte Versammlungen, wie mit dem Verweis auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage (DS-Nr. 6/14167) geschehen, einander gleichstellt und einen "Automatismus" befürchtet. Während bei einer frühzeitig angezeigten Versammlung ein Kooperationsgespräch erfolgen kann, bei dem auch mildere Einschränkungen erwogen werden können und müssen, ist dies bei Spontanversammlungen regelmäßig weder zeitlich noch organisatorisch in gleicher Weise möglich.

Ebenso kann bei Scheitern eines Kooperationsgesprächs in Ansehung der Einschätzung der Gefahrenlage und der ggf. zur Vertagung stehenden Einsatzkräfte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine andere Entscheidung veranlasst sein. Dies gilt ebenfalls bei den vom Beklagten angeführten „Mahnwachen". Es ist in vorliegendem Fall nicht darüber zu befinden. ob zeitlich lang andauernde Mahnwachen im Bereich eines Kriminalitätsschwerpunkts die dortige Videoüberwachung „auszuschalten" vermögen, zumal bereits fraglich erscheint, inwieweit bei einem ggf. rechtsmissbräuchlichen Verhalten eine Berufung auf das Versammlungsrecht überhaupt möglich ist. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass durch eine versammlungsfreundliche Auslegung und Handhabung des allgemeinen Polizeirechts die Versammlungsteilnehmer oder Dritte bei Kenntniserlangung der eingeschränkten Videotechnik zur Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Kriminalitätsschwerpunkts veranlasst werden könnten. Bei einem Auftreten von Straftaten im zeitweilig nicht videoüberwachten Bereich kann die vorhandene (nicht abgedeckte) Kameratechnik ohne weiteres und ohne große zeitliche Verzögerung wieder zur Anfertigung von Aufnahmen dieses Bereichs eingesetzt werden.

Bei Vorhandensein tatsächlicher Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, dass von den Versammlungsteilnehmern selbst eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung ausgeht, ist eine andere Rechtslage gegeben, denn in diesem Fall ist die Anfertigung von Videoaufzeichnungen der Versammlung, anders als in vorliegendem Fall, bereits nach § 20 Abs. 1 SächsVersG gestattet. Soweit individualisierbare Aufnahmen von einem gewaltbereiten Störer gefertigt würden, könnte dieser sich im Übrigen ohnehin nicht auf den Schutz der Versammlungsfreiheit berufen (vgl. VG Lüneburg, Urt. v. 30.3.2004- 3 A 116/02 -, juris Rn. 35).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach hat der Beklagte als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Die im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Frage der versammlungsfreundlichen Auslegung und Handhabung des allgemeinen Polizeirechts im Rahmen der Videografie von Kriminalitätsschwerpunkten gemäß § 37 Abs. 2 SächsPolG (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 SächsPVDG) bei dort stattfindendem Demonstrationsgeschehen bedarf im Sinne der Rechtseinheit im Freistaat Sachsen einer obergerichtliehen Klärung. Die Entscheidung über· diese Rechtsfrage liegt aus Gründen der Rechtssicherheit auch im öffentlichen Interesse, denn sie hat Auswirkungen auch über den entschiedenen Einzelfall hinaus.

Rechtsmittelbelehrung……

Kommentar

Das Urteil ist - soweit bekannt - noch nicht rechtskräftig.