Titel

VG Hamburg, Urteil vom 15.12.2010, Az. 5 K 2190/08
Ausführliche Auseinandersetzung mit einem sog. Wanderkessel durch das VG Hamburg. Außerdem Ausführungen zu Seitentransparentlängen-Auflage

 


Zitiervorschlag: VG Hamburg, Urteil vom 15.12.2010, Az. 5 K 2190/08, zitiert nach POR-RAV


Teaser

Nur im Ausnahmefall Rechtfertigung eines Wanderkessels (=seitliche Begleitung in der Form, dass Polizeibeamte in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gehen und dadurch Zu- und Abgang erschweren). Polizeiliches Einsatzkonzept muss an die Entwicklung der Demonstration angepasst werden. Allein das äußere Erscheinungsbild von Demonstranten (schwarze Bekleidung) vermag keine konkrete Gefahr zu begründen.

Leitsatz

Nur im Ausnahmefall Rechtfertigung eines Wanderkessels (=seitliche Begleitung in der Form, dass Polizeibeamte in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gehen und dadurch Zu- und Abgang erschweren). Polizeiliches Einsatzkonzept muss an die Entwicklung der Demonstration angepasst werden. Allein das äußere Erscheinungsbild von Demonstranten (schwarze Bekleidung) vermag keine konkrete Gefahr zu begründen.

Volltext

TENOR

1. Es wird festgestellt, dass die beschränkende Verfügung Nr. 1 aus dem Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg (Behörde für Inneres — Polizei) vom 6.7.2008 rechtswidrig gewesen ist, soweit sie sich auf Transparente bezog. 2. Es wird festgestellt, dass die Wegnahme eines seitlichen Transparentes auf der linken Seite des Aufzugs auf der Schanzenstraße Höhe Lagerstraße durch Beamte der Beklagten rechtswidrig gewesen ist. 3. Es wird festgestellt, dass die Art und Weise der seitlichen polizeilichen Begleitung des Demonstrationszuges rechtswidrig gewesen ist, soweit die Polizeibeamten im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates in einer Weise in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gegangen sind, dass der Zu- und Abgang zu diesem für Teilnehmer und Dritte deutlich erschwert wurde. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.

[...]

GRÜNDE

Tatbestand: Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Verfügungen und Maßnahmen anlässlich einer Demonstration.

Am frühen Morgen des 6.7.2008 kam es im Bereich Schulterblatt in Höhe der sog. "Roten Flora" zu einem Streit zwischen zwei Personen (männlich und weiblich). Die männliche Person wurde aus einer Gruppe von Besuchern der "Roten Flora" mit Reizgas besprüht. Die Polizeibeamten nahmen die männliche Person fest. Bei der Festnahme der Person, die zuvor den Pfefferspray verwendet hatte, wurden die eingesetzten Polizeikräfte aus einer umstehenden Menschenmenge mit Flaschen und Steinen beworfen. Dabei entstanden sowohl ein Sach- als auch ein Personenschäden auf Seiten der Polizei. Einige Personen begaben sich in die "Rote Flora". Daraufhin sperrten Polizeikräfte das Gebäude der "Roten Flora" ab. Gegen 11.24 Uhr drangen Polizeikräfte gewaltsam in das Gebäude ein und nahmen mehrere Personen vorläufig fest.

Der Kläger meldete am 6.7.2008 gegen 19.05 Uhr bei der Beklagten eine Demonstration gegen die polizeilichen Maßnahmen gegen die "Rote Flora" am Morgen desselben Tages an. Der Marschweg sollte entlang der Strecke Schulterblatt — Schanzenstraße — Altonaer Straße — Max-Brauer-Allee — Stresemannstraße — Neuer Pferdemarkt — Schulterblatt folgen.

Die Beklagte erließ daraufhin unter Verweis auf § 15 Abs. 2 VersG eine Verfügung, in der dem Kläger für die Durchführung des Aufzuges mehrere Auflagen erteilt wurden. Unter anderem enthielt die Verfügung unter Nr. 1 folgende Auflage:

"Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm dürfen flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung getragen werden, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges. Das Gleiche gilt für Seile."

Vor Beginn der Demonstration teilte der Kläger, der die Leitung der Demonstration übernahm, den Teilnehmern den Marschweg und die beschränkenden Verfügungen per Hand-Megaphon mit. Gegen 19.40 Uhr startete die Demonstration mit ca. 500 Teilnehmern. Während der gesamten Demonstration wurde diese von Polizeikräften begleitet. Im Laufe der Demonstration stellten Polizeikräfte ein Iängsseitig zum Demonstrationszug von den Teilnehmern getragenes rotes Transparent sicher. Auch wurden Teilnehmer wieder in den Aufzug gedrängt.

Am 12.8.2008 hat der Kläger Klage erhoben.

Er trägt vor, dass unklar sei, wie viele Personen überhaupt am Morgen des 6.7.2008 Steine geworfen hätten. Es sei auch unklar, ob sich von diesen Personen welche in die "Rote Flora" begeben hätten. Er, der KIäger, sei bereit gewesen, einer kleinen Gruppe von Polizeikräften die Rote Flora aufzuschließen. Die Einsatzkräfte hätten dennoch entschieden, gewaltsam in die Rote Flora einzudringen. Es sei auch unklar, ob es sich dabei tatsächlich um ehemalige Besucher der nächtlichen Party in der Roten Flora gehandelt habe. Bei der Demonstration am Abend seien dutzende behelmte Polizisten sowohl vor als auch hinter dem Demonstrationszug marschiert. Auch seien an jeder Seite des Zuges eine oder mehrere Reihen bewaffneter und behelmter Polizisten gegangen. Zwar sei zu Beginn der Demonstration ein ungehinderter Zugang möglich gewesen. Die Polizeimaßnahme hätte aber auf die Teilnehmer abschreckend und einschüchternd gewirkt. Für Außenstehende sei der Eindruck gefährlicher Gewalttäter, von denen man sich besser fernhalten solle, entstanden. Die mitgeführten Transparente seien aufgrund des weitgehenden Einschlusses durch die Polizei für Außenstehende nicht oder kaum wahrnehmbar gewesen. Während des Demonstrationszuges habe der Einsatzleiter der Polizei Dudde insgesamt dreimal ein von den Demonstrationsteilnehmern mitgeführtes rotes Transparent als nach der Auflage Nr. 1 zu lang beanstandet. Zweimal habe er, der Kläger, auf die Teilnehmer eingewirkt mit der Folge, dass diese das Transparent auf die vorgeschriebene Länge gerafft hätten. Nachdem der Einsatzleiter der Beklagten zum dritten Mal die Länge des Transparentes moniert habe, sei den Trägern noch während er, der Kläger, auf diese eingewirkt habe, das Transparent von einer Einheit der Beklagten entrissen worden. An der Ecke Stresemannstraße / Mistralstraße seien zudem einige Demonstrationsteilnehmer, welche sich zuvor von der Teilnahme an der Demonstration gelöst hätten, von der Beklagten zurück in den Aufzug gedrängt worden. Teilnehmer der Demonstration, die ihre Füße über den mittleren Fahrbahnbegrenzungsstreifen gesetzt haben, seien bedrängt und über die Fahrbahnmarkierung in den Aufzug geschubst worden, da aus Sicht der Polizei die Teilnehmer nicht wie verabredet ausschließlich auf der Gegenfahrbahn gegangen seien. Die Absprache, lediglich die linken Fahrspuren mit dem Aufzug zu nutzen, habe sich ausschließlich auf den Abschnitt Höhe Lerchenstraße bis zum Neuen Pferdemarkt bezogen. Bei allen Stopps des Aufzuges sei dieser durch Polizeispaliere in einem fast geschlossenen Polizeikessel zusammengedrängt worden, aus dem sowohl ein Verlassen von innen als auch ein Hinzutreten von außen nur unter Schwierigkeiten möglich gewesen sei. Die Öffentlichkeit sei dadurch völlig ausgeschlossen gewesen und habe inhaltlich kaum erreicht werden können. Vermummte hätten an der Demonstration nicht teilgenommen. Er, der Kläger, ist der Ansicht, dass die Klage auch zulässig sei. Insbesondere bestehe auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Es bestehe eine Wiederholungsgefahr. Er beabsichtige, auch in Zukunft weitere Demonstrationen als Anmelder abzuhalten. Es erscheine konkret möglich, dass bei in absehbarer Zeit stattfindenden Demonstrationen von Seiten der Beklagten mit ähnlichen Maßnahmen gegen längere Seitentransparente und mit der einschließenden Begleitung durch Polizeikräfte reagiert werde. Daneben ergebe sich aus der Art des Eingriffs in den grundrechtlich geschützten Bereich ein schutzwürdiges ideelles Interesse des Klägers an der Feststellung. Die Maßnahmen der Beklagten seien auch rechtswidrig gewesen. Durch die Auflage, das Entreißen des Transparentes sowie durch die einschließende Begleitung der Demonstration werde er in seinen Grundrechten aus Art. 8 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GG verletzt. Eine die getroffenen Maßnahmen rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung habe nicht vorgelegen. Die Auflage des angegriffenen Bescheides sei ohne Begründung und ohne konkrete Gefahrenprognose verhängt worden. Es habe auch keine Gefahr im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG gegeben. Wie und warum etwaige frühmorgendliche Tätlichkeiten von wenigen, wahrscheinlich angetrunkenen Besuchern einer nächtlichen Party durch die Beklagte in die Gefahrenprognose für eine abendliche Demonstration eingestellt würden, erschließe sich nicht. Unfriedlichkeiten aus dem Schutze eines längeren Transparentes habe es erst einmal gegeben. Die Beklagte hätte somit ggf. vor Ort eine entsprechende Auflage erlassen können. Auch mit Blick auf die einschließende Begleitung habe eine Gefahrenprognose nicht vorgelegen. Auch seien die getroffenen Maßnahmen nicht verhältnismäßig.

Der Kläger beantragt, 1. festzustellen, dass die beschränkende Verfügung Nr. 1 aus dem Bescheid der Freien und Hansestadt Hamburg (Behörde für Inneres — Polizei) vom 6.7.2008 rechtswidrig gewesen ist, 2. festzustellen, dass die Wegnahme eines seitlichen Transparentes auf der linken Seite des Aufzuges auf der Schanzenstraße (Höhe Lagerstraße) durch Beamte der Beklagten rechtswidrig gewesen ist, 3. festzustellen, dass die Art und Weise der nahezu einschließenden Begleitung des Demonstrationszuges über den gesamten Marschweg durch mehrere hundert, mit Einsatzanzug, Helm und Schlagstock ausgerüstete Polizeibeamte in Form seitlicher, zum Teil mehrfacher Reihen und Dutzender Beamter vor und hinter dem Aufzug, rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass bei verständiger Würdigung der erkennbaren Umstände die Durchführung des Aufzuges mit Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verursacht hätte. Da der Aufzug in direktem Bezug zu dem Polizeieinsatz am Morgen gestanden habe und es dort zum einen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Flora-Besuchern und Polizeikräften gekommen sei - sowohl durch die Stein- und Flaschenwürfe und anschließender Flucht in die "Rote Flora" als auch im Anschluss an die Festnahmen - und zum anderen mit dem gleichen Klientel bei der Demonstration zu rechnen gewesen sei, hätten tatsächliche Anhaltspunkte dafür gesprochen, dass die zu erwartenden Demonstrationsteilnehmer entsprechend gewaltbereit sein würden. Vor diesem Hintergrund seien die getroffenen Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit dringend erforderlich gewesen. Die Begrenzung der seitlich getragenen Transparentlänge auf 1,50 m sei erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass sich Straftäter innerhalb der Demonstration hinter größeren Transparenten hätten tarnen bzw. verdecken können sowie dass mittels - u.U. auch verseilter - großer Transparente der seitliche Zugriff der Polizei hätte vereitelt werden können. Aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit habe man mit solchen Aktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit rechnen müssen. Daneben sei der damit verbundene Eingriff als äußerst gering anzusehen. Daher sei auch die erfolgte Wegnahme des überlangen Transparentes unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG rechtmäßig gewesen. Die Auflage sei rechtmäßig und die Teilnehmer hätten mehrfach gegen die.Auflage verstoßen. Da der Kläger die Verstöße nicht endgültig habe abstellen können, habe das Transparent um 19.52 Uhr sichergestellt werden müssen. Schließlich habe keine einschließende, sondern nur eine seitliche Begleitung des Aufzuges stattgefunden. Diese sei so weit wie möglich abgesetzt vom Aufzug erfolgt. Ein ungehinderter Zu- und Abgang von Teilnehmern sei jederzeit möglich gewesen. Die gefahrenabwehrende seitliche Begleitung sei erfolgt, da aufgrund der Gefahrenprognose davon auszugehen gewesen sei, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar bevorgestanden habe. Zudem hätten an der Demonstration teilweise vermummte Personen teilgenommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Rogalla, Möller, Dudde, Schneider und Ruschmeyer. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 3.12.2010 und 15.12.2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

l. Die Klage ist zulässig (hierzu unter 1.) und überwiegend begründet (hierzu unter 2.).

1. Die Feststellungsbegehren des Klägers sind zulässig.

a) Soweit die angegriffenen Maßnahmen der Polizei als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind — so jedenfalls die beschränkende Verfügung, Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung zu tragen, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges —, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz4 VwGO richtige Klageart. Der Fortsetzungsfeststellungsklage steht nicht entgegen, dass sich der zur Überprüfung gestellte Verwaltungsakt nicht erst nach Klageerhebung, sondern bereits vor Erhebung der Klage erledigt hat. Ein Vorverfahren ist in dieser Konstellation nicht durchzuführen. Soweit den angegriffenen Maßnahmen die Verwaltungsaktsqualität fehlt — so etwa der Wegnahme des Transparentes —, ist die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthafte Klageart. Auch Rechte und Pflichten aus einem vergangenen Rechtsverhältnis können Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn sich noch konkrete Auswirkungen — etwa eine fortdauernde Diskriminierung oder die Gefahr einer Wiederholung — ergeben könnten (BVerwGE 61, 164, 168 f.).

b) Der Kläger ist auch klagebefugt. Der Kläger macht geltend, dass er als Leiter und Teilnehmer der Demonstration durch die Beschränkung in seinen Rechten aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzt ist.

c) Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Ein Feststellungsinteresse besteht jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Eine konkrete Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse wie im Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Vornahme der Maßnahme vorliegen können (BVerwG, Beschl. v. 9.5.1989, Az.: 1 B 166.88, juris m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Der Kläger wird auch in Zukunft ähnliche Veranstaltungen anmelden und an ihnen teilnehmen. Die von ihm gerügten Maßnahmen — Beschränkung der Transparentlänge sowie die seitliche Begleitung — gehören offenbar zum weiterhin gültigen Einsatzkonzept der Beklagten. Sollte erneut die Verfügung ergehen, dass Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung getragen werden dürfen, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges, so erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass es im Verlauf der Demonstration erneut zu einer Wegnahme eines Transparentes kommt. Das Feststellungsbegehren des Klägers dürfte aber auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses berechtigt sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht ein Rechtsschutzinteresse trotz tatsächlicher Erledigung fort, wenn andernfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbleiben würde und der gerügte Eingriff ein besonders bedeutendes Grundrecht betraf (BVerfGE 69, 315, 341). Dies dürfte bei Maßnahmen, die in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit eingreifen, der Fall sein.

2. Die Klage ist auch überwiegend begründet.

Sowohl die Verfügung, Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung zu tragen, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges (hierzu unter a)), als auch die Wegnahme eines seitlichen Transparentes auf der linken Seite des Aufzugs auf der Schanzenstraße Höhe Lagerstraße durch Beamte der Beklagten (hierzu unter b)) erweisen sich als rechtswidrig. Die Art und Weise der seitlichen polizeilichen Begleitung des Demonstrationszuges ist insoweit rechtswidrig gewesen, als die Polizeibeamten im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates in einer Weise in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gegangen sind, dass der Zu- und Abgang zu diesem für Teilnehmer und Dritte deutlich erschwert wurde; im Übrigen ist die seitliche Begleitung nicht zu beanstanden (hierzu unter c)). a) Die Verfügung, Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung zu tragen, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges, erweist sich als rechtswidrig. Zu Recht macht der Kläger geltend, dass die beschränkende Verfügung den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit berührt (hierzu unter aa)) und die Gefahrenprognose der Beklagten den Eingriff in dieses Recht nicht rechtfertigte (hierzu unter bb)). aa) Die beschränkende Verfügung, die Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung zu tragen, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges, stellt einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG dar. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen. Der Schutzbereich ist nicht nur dann betroffen, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04, juris, Rn. 14). Eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit liegt auch dann vor, wenn versammlungstypische Äußerungsformen, wie etwa Aufrufe, gemeinsame Lieder oder Transparente behindert werden (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04, juris, Rn. 14). Die Beschränkung der Transparentlänge hindert — wenn auch vergleichsweise nur im geringen Umfang — die Meinungskundgabe mittels Transparenten (HmbOVG, Beschl. v. 30.4.2008, Az.: 4 Bs 90/08).

bb) Die vorgenommene Gefahrenprognose der Beklagten vermag diesen Eingriff nicht zu rechtfertigen. Die in der angegriffenen Verfügung liegende Beschränkung der Versammlungsfreiheit bedarf gemäß Art. 8 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Nach § 15 Abs. 1 VersG kann ein Aufzug von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Die beschränkende Verfügung soll Rechtsgütern dienen, deren Schutz im betroffenen Fall der Ausübung der Versammlungsfreiheit vorgeht, und sie soll den Gefahren auf eine Weise entgegenwirken, die stärker beeinträchtigende Maßnahmen, etwa ein Verbot der Versammlung, nicht erforderlich werden lassen. Das für beschränkende Verfügungen vorauszusetzende Erfordernis einer unmittelbaren Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen daher erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ergibt. Als Grundlage der Prognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04, juris, R. 19 f.). Eine solche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die die Beschränkung der seitlichen Länge der Transparente rechtfertigen würde, lag nicht vor. Die Verfügung sollte ausweislich der Ausführungen des Zeugen Dudde, der als Einsatzleiter für den Erlass der beschränkenden Verfügung verantwortlich war, verhindern, dass Teilnehmer im Schutz der Transparente Straftaten begehen bzw. durch die seitlichen Transparente der polizeiliche Zugriff auf einzelne Teilnehmer verhindert wird. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür bestanden, dass es im Laufe der Demonstration zu Straftaten, insbesondere Gewalttätigkeiten im Schutz der Transparente kommen würde. Es bestand nicht die gesicherte Annahme, dass an der Versammlung eine nicht geringe Zahl gewaltbereiter Personen teilnehmen werde, von denen derartige Aktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien (zu diesem Erfordernis vgl. HmbOVG, Beschl. v. 30.4.2008, Az.: 4 Bs 93/08, 4 Bs 90/08; Beschl. v. 26.5.2007, Az.: 4 Bs 130/07). Das Gericht geht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass sich die Beklagte bei der Erstellung ihrer Gefahrenprognose im Wesentlichen von folgenden Gesichtspunkten hat leiten lassen: der Durchsuchung der "Roten Flora" am Morgen des in Rede stehenden Tages, dem äußeren Erscheinungsbild der Demonstranten, der Tageszeit der Demonstration, der Person des Anmelders, den Erfahrungen mit Gewalttätigkeiten anlässlich einer Demonstration im vorangegangenen Jahr sowie von den mündlich mitgeteilten Erkenntnissen des Staatsschutzes. Der Zeuge Dudde, der als Einsatzleiter für den Erlass der beschränkenden Verfügung verantwortlich war, führte aus, dass es in derartigen Fällen zunächst eine Gefahrenprognose im Vorfeld gebe und diese Gefahrenprognose dann vor Ort noch einmal überprüft werde. Die Prognose habe hier darauf beruht, dass die Polizei am Morgen in die "Rote Flora" hineingegangen sei und dass dann unter dem Motto "Gegen Repressionen" mobilisiert worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass dies in der Szene um die ,,Rote Flora" herum als "Angriff auf die "Rote Flora" — "auf ihr Objekt" — gewertet würde und zu einer entsprechenden Mobilisierung führen würde. Die Prognose habe ferner auf dem äußeren Erscheinungsbild der Teilnehmer — in überwiegend dunkler Kleidung, was auf eine probIematische Klientel hinweise — beruht und auf der Tatsache, dass die Demonstration zwar im Sommer, aber eben doch am Abend stattfinden sollte. Des Weiteren habe er auch schon andere Demonstrationen mit demselben Anmelder erlebt und bei einigen dieser Demonstrationen sei es zu Gewalttätigkeiten gekommen. Auch habe man als Polizeibeamter Erinnerungen an frühere Demonstrationen und auch ein Gefühl dafür, ob mit Gewalttätigkeiten gerechnet werden müsse. So habe es Gewalttätigkeiten bei einer Demonstration gegeben, die sich aus einer ähnlichen Situation heraus entwickelt habe: Beim ASEM-Gipfel im Zusammenhang mit dem G-8-Treffen in Heiligendamm sei es am Vormittag zu einer Durchsuchung der "Roten Flora" durch die Polizei gekommen. Am Abend sei es zu einer angemeldeten Spontandemonstration gekommen, bei der es beim Erreichen des Endkundgebungsortes zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen sei. Schließlich müsse eine mündliche Gefahreneinschätzung seitens der Staatsschutzabteilung der Polizei vorgelegen haben. Auch der Zeuge Ruschmeyer, der den gesamten Einsatz verantwortet hatte, führte aus, dass man angesichts der Tatsache, dass die Polizei unter Gewaltanwendung in das Gebäude der "Roten Flora" hineingegangen sei, was von denjenigen, für die die "Rote Flora" ein wichtiges Symbol darstelle, als Angriff auf "ihr Objekt" gewertet werden würde, für den Abend mit Problemen gerechnet habe. Diese Umstände, die die Beklagte für ihre Gefahrenprognose benannt hat, ließen jedoch nicht die gesicherte Annahme zu, dass an der Versammlung eine nicht geringe Zahl gewaltbereiter Personen teilnehmen werde, von denen gewaltsame Tätlichkeiten aus dem Schutze von Transparenten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien.

Die Erkenntnisse der Staatsschutzabteilung sind dem Gericht nicht näher vorgelegt bzw. vorgetragen worden. Insoweit führte der Zeuge Dudde lediglich aus, dass seines Erachtens wohl eine mündliche Lagebeurteilung seitens der Staatsschutzabteilung vorgelegen haben müsse. Zudem gab er an, dass es sich bei den Formulierungen in der Abschlussmeldung der Landesbereitschaftspolizei vom 6.7.2008 — "In der Flora befinden sich um 18:18 Uhr ca. 125 Personen, weitere 15 Personen davor. Zusammensetzung der Flora: Gruppe 187, Antirepressionsgruppe, Altfloristen und Floraumfeld" — um Formulierungen handele, die letztlich von der Staatsschutzabteilung der Polizei stammten. Es sei davon auszugehen, dass ihm diese Einschätzung der Staatsschutzabteilung bei der Gefahrenprognose bekannt gewesen sei und diese der Gefahrenprognose zugrunde gelegt worden sei. Weitere inhaltliche Ausführungen machte er nicht. Eine Überprüfung, inwieweit diese Erkenntnisse die Gefahrenprognose stützen, ist mithin nicht möglich. Dies gilt auch hinsichtlich der in der Abschlussmeldung genannten Zusammensetzung der Flora. Es ist weder ersichtlich, welche Schlussfolgerungen im Einzelnen daraus gezogen worden sind, noch welcher Erkenntniswert diesen Formulierungen über die personelle Zusammensetzung der Demonstrationsteilnehmer hinaus beigemessen werden kann. Soweit die Beklagte ihre Gefahrenprognose auf die Tageszeit, zu der die Demonstration stattfinden sollte, sowie auf die Person des Anmelders stützt, vermochten diese Umstände die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht zu begründen. Die Demonstration fand am 6. Juli 2008, mithin an einem Sommertag statt. Auch wenn die Demonstration erst am Abend startete, war angesichts des Marschweges und der Teilnehmerzahl nicht damit zu rechnen, dass diese in die Dunkelheit gerät. Der Umstand, dass der Kläger und Anmelder der Demonstration, der Anmelder diverser Demonstrationen aus dem Umfeld der "Roten Flora" ist, in der Vergangenheit schon Demonstrationen angemeldet hat, in deren Verlauf es zu Gewalttätigkeiten gekommen ist, ist zu abstrakt, um eine konkrete Gefahr für die hier streitgegenständliche Demonstration zu begründen. Es muss gerade die gesicherte Annahme bestehen, dass an der konkreten Versammlung eine nicht geringe Anzahl gewaltbereiter Personen teilnimmt. Dies lässt sich nicht an die Person des Anmelders knüpfen. Die Erfahrungen mit gewalttätigen Ausschreitungen, die die Beklagte anlässlich des ASEM-Gipfels gemacht hat, mögen zwar Befürchtungen hinsichtlich weiterer Ausschreitungen wecken, lassen sich aber nicht auf die hier streitgegenständliche Demonstration übertragen, ganz abgesehen davon, dass die Beklagte nicht vorgetragen hat, dass diese Gewalttätigkeiten gerade aus dem Schutz der Transparente heraus gekommen seien. Es ist etwas Anderes, wenn mehrere tausend Menschen anlässlich eines internationalen Treffens im Vorfeld des G8-Treffens in Heiligendamm demonstrieren, mit einer entsprechenden Anzahl gewaltbereiter Personen, als wenn wie hier lediglich mehrere hundert Personen spontan auf die Straße gehen. Sowohl die Form der Mobilisierung, die Zusammensetzung der Teilnehmenden als auch die sich entwickelnde Dynamik unter den Demonstranten lassen sich nicht vergleichen. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es in der Vergangenheit auch einmalig zu Straftaten aus der Deckung größerer Transparente gekommen sei (26.11.2005), lässt dies ebenfalls nicht die Annahme zu, dass derartige Straftaten bei der hier streitgegenständlichen Demonstration ebenfalls zu erwarten waren, zumal es in der Zwischenzeit weitere Demonstrationen gegeben hatte, bei denen es offenbar nicht zu vergleichbaren Straftaten gekommen war (vgl. auch HmbOVG, Beschl. v. 30.4.2008, Az.: 4 Bs 90/08). Auch aus den weiteren genannten Umständen ergeben sich keine konkreten Hinweise für zu erwartende Straftaten aus dem Schutz von Transparenten. Allein das äußere Erscheinungsbild der Demonstranten vermochte keine konkrete Gefahr zu begründen. Es ist der Beklagten zwar zuzugestehen, dass in den Reihen des sog. Schwarzen Blocks gewaltbereite Demonstranten zu finden sein dürften. Es ist auch richtig, dass schwarze Bekleidung auch zu gewissen Identifizierungsschwierigkeiten führt. Schwarze Bekleidung — insbesondere schwarze Kapuzenpullover und Hosen — ist jedoch keine dem sog. Schwarzen Block vorbehaltene "Uniform", sondern ist gerade im Umkreis der "Roten Flora" eine nicht ganz untypische Bekleidungswahl, die für sich allein keinen Rückschluss auf die jeweilige Gewaltbereitschaft des Trägers zulässt. Soweit der Zeuge Dudde darauf verweist, dass nach seiner Einschätzung auch Teilnehmer vor Ort gewesen seien, von denen z.B. Sachbeschädigungen hätten erwartet werden können, so ist dies zu vage und unbestimmt, zumal der Zeuge einräumte, dass er einzelne Demonstrationsteilnehmer nicht persönlich erkenne und seine Einschätzung deshalb auf dem allgemeinen Erscheinungsbild, das die Demonstranten durch ihr Verhalten und ihre Kleidung abgäben, beruhe. Auch die Einschätzung der Beklagten, dass die Durchsuchung der "Roten Flora" als "Angriff auf ihr Objekt" verstanden werden könnte, ist zwar durchaus naheliegend, rechtfertigte aber nicht die gesicherte Annahme, dass an der Versammlung eine nicht geringe Anzahl gewaltbereiter Personen teilnehmen würden, von denen Straftaten aus dem Schutz größerer Transparente zu erwarten waren. Insbesondere hat die Beklagte eingeräumt, dass es am Morgen der streitgegenständlichen Versammlung im unmittelbaren Anschluss an die Durchsuchung der "Roten Flora" zu keinerlei Gewaltausbrüchen gekommen war. Die Tätlichkeiten am Morgen, die im Übrigen von den Zeugen Dudde und Ruschmeyer nicht als Umstände benannt worden sind, die in die Gefahrenprognose für den Abend eingeflossen sind, standen im Zusammenhang mit der Verhaftung der Person, die das Reizgas eingesetzt hatte, nicht jedoch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchsuchung der "Roten Flora". Insoweit vermag auch die Einschätzung der Beklagten, dass dieselben Personen vom Morgen zu der Demonstration kommen würden, nicht die Prognose zu stützen, dass an der Versammlung eine nicht geringe Zahl gewaltbereiter Personen teilnehmen werde, von denen Tätlichkeiten aus dem Schutze von Transparenten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien. Die von der Beklagten benannten Umstände vermochten zwar zusammen genommen die Möglichkeit zu begründen, dass es zu Straftaten Einzelner aus dem Schutz von Transparenten kommen könnte — jedoch nicht mit dem erforderlichen Ausmaß an Wahrscheinlichkeit, dass es eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründet hätte, der mit der hier streitgegenständlichen beschränkenden Verfügung hätte begegnet werden dürfen.

b) Die Wegnahme eines seitlichen Transparentes auf der linken Seite des Aufzugs auf der Schanzenstraße Höhe Lagerstraße durch Beamte der Beklagten ist rechtswidrig gewesen.

Da die beschränkende Verfügung, Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 150 cm flächenmäßig nur frontal zur Marschrichtung zu tragen, nicht aber längs der Außenseiten des Aufzuges, sich als rechtswidrig erwiesen hat, ist auch das der unmittelbaren Zwangsanwendung zugrunde liegende Gebot, die Transparente zu entfernen — das grundsätzlich als milderes Mittel gegenüber einer Auflösung der Versammlung auf § 15 Abs. 3 VersG hätte gestützt werden können —, rechtswidrig gewesen. Zwar waren sowohl die beschränkende Verfügung als auch die Grundverfügung, das Transparent zu entfernen, zum Zeitpunkt der Wegnahme sofort vollziehbar. Auch können die Verfügungen, weil sie inzwischen erledigt sind, nicht mehr aufgehoben werden und kann damit der Zwangsanwendung auch nicht mehr die Grundlage entzogen werden. Allerdings ist bei der auf Feststellung vergangener Rechtsverhältnisse gerichteten Klage diese Konnexität zu fingieren (Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, F 868). Die Reichweite des Rechtsschutzes kann nicht davon abhängen, ob die Grundverfügung noch aufgehoben werden kann oder ob wegen vorheriger Erledigung nur noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit möglich ist (Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, F 868). Eine andere Grundlage für die Zwangsanwendung als den Auflagenverstoß ist nicht erkennbar. Insbesondere hat weder die Beklagte, noch haben die Zeugen vorgetragen, dass es im Laufe der Demonstration zu Gewalttätigkeiten oder zu irgendwelchen anderen Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Die Wegnahme war mithin auch nicht aufgrund einer akuten Gefahr oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung veranlasst.

c) Die Art und Weise der seitlichen polizeilichen Begleitung des Demonstrationszuges ist insoweit rechtswidrig gewesen, als die Polizeibeamten im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates in einer Weise in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gegangen sind, dass der Zu- und Abgang zu diesem für Teilnehmer und Dritte deutlich erschwert wurde; im Übrigen ist die seitliche Begleitung nicht zu beanstanden. Die von der Beklagten vorgenommene seitliche Begleitung stellt einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG dar (hierzu unter aa)), der jedenfalls überwiegend nicht durch die Gefahrenprognose der Beklagten gerechtfertigt wird (hierzu unter bb)). aa) Die Art und Weise der seitlichen Begleitung des Demonstrationszuges durch die Beklagte stellt einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG dar. Nach der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Versammlung vorne von einer Hundertschaft, hinten von einer Hundertschaft und jeweils seitlich von einer Hundertschaft begleitet worden ist. Dies ergibt sich sowohl aus den Sachakten der Beklagten als auch aus den Ausführungen des Zeugen Dudde. Zu der seitlichen Begleitung führte der Zeuge Dudde aus, dass sich der Abstand zwischen den einzelnen Beamten letztlich aus der Länge des Demonstrationszuges ergebe. Es werde in derartigen Fällen versucht, immer eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Beamten über den gesamten Demonstrationszug zu haben, so dass bei einem längeren Demonstrationszug dann die Abstände zwischen den einzelnen Beamten größer sind, während sie umgekehrt bei einem kürzeren Demonstrationszug dann entsprechend enger seien. Aus dem vorgelegten Videobildmaterial ergibt sich, dass — dort für die Anfangsphase — der Abstand zwischen den einzelnen Beamten angesichts der Länge des Demonstrationszuges relativ eng war. Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass die die Versammlung seitlich begleitenden Polizeikräfte zunächst einen möglichst weiten Abstand zur Versammlung gewahrt haben. Aus dem vom Kläger vorgelegten Videobildmaterial geht hervor, dass die Polizeibeamten die auf der Straße laufenden Demonstrationsteilnehmer auf den Fußwegen begleitet haben und zwischen den begleitenden Polizeibeamten und Demonstrationsteilnehmern teilweise parkende Fahrzeuge gestanden haben. Die Polizeikräfte sind ganz überwiegend einreihig neben den Demonstrationsteilnehmern entlang gelaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Polizeikräfte auch ihre Helme noch nicht aufgesetzt, sondern trugen diese an ihrem Gürtel. Gleiches ergibt sich für die Anfangsphase aus dem von der Beklagten vorgelegten Videobildmaterial. Dementsprechend führte der Zeuge Dudde aus, das es die Anweisung an die Polizeikräfte gegeben habe, einen möglichst großen Abstand zum eigentlichen Demonstrationszug zu halten und keine Helme auf dem Kopf zu tragen. Das Gericht geht ferner davon aus, dass zumindest in dieser Anfangsphase ein Zu- und Abgang von und zum Demonstrationszug noch problemlos möglich war. Jedenfalls schilderte die Zeugin S., dass es in der Anfangsphase eine sehr lockere Begleitung durch die Polizeibeamten gegeben habe, Zu diesem Zeitpunkt sei es sicherlich kein Problem gewesen, aus dem Demonstrationszug herauszugehen oder in diesen neu hineinzugehen. Das Gericht ist jedoch nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich die Form der seitlichen Begleitung im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates verändert hat. Das Gericht ist davon überzeugt, dass nach der Wegnahme des seitlichen Transparentes die Polizeikräfte ihre Helme aufgesetzt und aufbehalten haben und in einer Weise in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gegangen sind, dass der Zu- und Abgang zu diesem für Teilnehmer und Dritte deutlich erschwert wurde. Dass die Polizeibeamten im Anschluss an die Sicherstellung des Transparentes die Helme aufgesetzt haben, stützt das Gericht auf die Aussagen der Zeugen Dudde und Schneider. Der Zeuge Dudde schilderte, dass das Aufsetzen der Helme im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates erfolgt sei. Die Zeugin S. schilderte, dass zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Aktion mit dem Transparent die Polizeibeamten, die seitlich des Demonstrationszuges gingen, die Helme aufgesetzt und den Zug wesentlich dichter und enger begleitet hätten. Ob die seitlichen Polizeikräfte zunächst weiterhin auf dem Gehweg den Demonstrationszug begleiteten und erst in der Stresemannstraße den seitlichen Abstand zum Demonstrationszug verringerten bzw. der seitliche Abstand später durch die örtlichen Begebenheiten verringert wurde, oder bereits nach der Sicherstellung des Plakates den seitlichen Abstand verkleinerten, vermag das Gericht nicht mehr im Ein- zelnen festzustellen. Jedenfalls wurde in der Folge der Zu- und Abgang zum Demonstrationszug deutlich erschwert. Dies stützt das Gericht insbesondere auf die Aussage der Zeugin Möller. Die Zeugin M. schilderte für das Gericht überzeugend, dass sie die Polizeibeamten, die den Zug begleitet hätten, mehrmals entweder in Richtung nach Innen zum Demonstrationszug oder aber in Richtung nach Außen außerhalb des Demonstrationszuges passiert habe, und sie sich erinnere, dass es beschwerlich gewesen sei und dass man schon sehr deutlich habe auftreten müssen, um von den Polizeibeamten durchgelassen zu werden. Man habe den Polizeibeamten schon sehr deutlich sagen müssen, dass man jetzt hier durchgehen wolle, damit man auch tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, durch die Polizeibeamten hindurch zu gehen. Es habe deutlicher Ansagen bedurft wie etwa "Ich will jetzt da rein." Oder "Ich will jetzt hier raus.", damit sie tatsächlich von den Polizeibeamten durchgelassen worden sei. Das Gericht hält die Darstellung der Zeugin Möller für glaubhaft. Die Zeugin hat ihre Beobachtungen stringent geschildert. Dabei bemühte sie sich, ein differenziertes Bild wiederzugeben. Unsicherheiten oder Erinnerungslücken gab sie klar zu erkennen. So schilderte die Zeugin etwa, dass sie nicht konkret erinnern könne, inwieweit die Polizeibeamten auch mit auf der Straße oder neben dem Demonstrationszug auf dem Bürgersteig gegangen seien. Dies sei auch etwas, was sich auch im Laufe eines Aufzuges entsprechend entwickle, so auch wie die örtlichen Begebenheiten dort seien, dass an manchen Stellen es enger gewesen sei und an anderen Stellen mehr Platz gewesen sei. Sie könne sich auch nicht daran erinnern, ob es zwischen einzelnen Demonstranten auf der einen Seite und Polizeibeamten auf der anderen Seite zu Problemen gekommen sei, sie könne sich nur daran erinnern, wie es für sie selbst gewesen sei. Dies hält das Gericht für überzeugend. Es leuchtet ein, dass die Zeugin sich zwar nicht daran erinnern kann, ob andere Demonstrationsteilnehmer oder Dritte Schwierigkeiten beim Zu- und Abgang hatten, sich jedoch noch gut daran erinnern kann, wie es für sie selbst gewesen ist. Dass sich die Zeugin um eine differenzierte Darstellung bemüht, wurde auch deutlich, als sie die Szene in der Stresemannstraße schilderte. Beim Einschwenken des Demonstrationszuges in die Stresemannstraße hätten einige Demonstrationsteilnehmer zunächst den naheliegenden Weg geradeaus auf die rechte Seite der Stresemannstraße gewählt und hätten nicht von Anfang an gleich den Schwenk auf die linke Seite der Stresemannstraße mitgemacht, was dann dazu geführt habe, dass seitens der Polizei "nachgesteuert" worden sei, so dass letztlich der Demonstrationszug nur auf die linke Seite gekommen sei. Der Zug sei natürlich nicht so komplett eingeschlossen gewesen, so dass es zunächst möglich gewesen sei, dass ein Teil der Demonstrationsteilnehmer nicht gleich den Schwenk mitgemacht habe. Es sei an dieser Stelle breiter geworden, so habe in dieser Situation für die Demonstrationsteilnehmer die Möglichkeit bestanden, sich freier zu bewegen und auch teilweise außerhalb der begleitenden Polizeibeamten.

Dass der Zeuge Dudde demgegenüber schilderte, dass die Polizeikräfte angewiesen worden seien, dass den Demonstrationsteilnehmern die Möglichkeit, den Demonstrationszug zu verlassen oder von Außen zum Demonstrationszug zu stoßen, nicht verwehrt werden sollte, sondern der Zu- und Abgang frei sein sollte, vermag die Schilderung der Zeugin M. nicht zu relativieren. Das Gericht bezweifelt nicht, dass seitens der Einsatzleitung grundsätzlich die Anweisung ergeht, dass der Zu- und Abgang frei gewährleistet sein soll. Allerdings sagt allein das Bestehen einer solchen Anweisung nichts darüber aus, wie sich die Bewegungsfreiheit im konkreten Fall realisiert hat. Gleiches gilt für die Schilderung des Zeugen Dudde, dass seiner Erinnerung nach ihn der Klägervertreter nicht angesprochen und ihm mitgeteilt hätte, dass der Abstand zwischen den Polizeibeamten so gering gewesen sei, dass niemand mehr rein und raus komme. Konkret auf die Darstellung der Zeugin M. angesprochen, räumte der Zeuge Dudde letztlich ein, dass es zu Erschwernissen beim Zu- und Abgang zum und vom Demonstrationszug gekommen sein könnte. Er könne sich eine Situation, in der das Verlassen des Zuges durch die begleitenden Polizeibeamten hindurch oder auch ein in den Zug Hineingehen durch die Polizeibeamten hindurch nur dann möglich gewesen sei, wenn man zuvor deutlich an die Polizisten gerichtet auch gesagt hatte, dass man jetzt den Zug verlassen wolle oder hindurch möchte, vorstellen, und zwar nur dort, wo es Probleme gegeben habe und wo der Zug durch die Polizeibeamten gehindert werden musste, entweder in eine falsche Richtung zu gehen — oder wie in der Stresemannstraße — neben der erlaubten Straßenseite auch die andere Straßenseite zu benutzen. In allen anderen Fällen sei es Anweisung an die Polizeibeamten, jeden Demonstrationsteilnehmer frei durchzulassen, und er gehe davon aus, dass auch bei dieser Demonstration es insoweit eigentlich keine Probleme gegeben haben dürfte. Einzig und allein einschränkend müsse er sagen, dass es im Rahmen einer solchen Demonstration, insbesondere wenn die Polizeibeamten ihre Helme aufhätten, es natürlich auch mal sein könne, dass ein einzelner Beamter es zunächst aufgrund des Geräuschpegels und der gesamten Situation nicht mitbekomme, dass jemand durch die begleitenden Polizeibeamten hindurchgehen wolle und es dann in der Situation auch einmal notwendig sei, die Polizeibeamten direkt darauf anzusprechen. Dass der Abstand zwischen den einzelnen Polizeibeamten sehr eng war, wurde im Ergebnis auch durch den Zeugen Dudde bestätigt. Auf Rückfrage, ob es möglich wäre, die Polizeibeamten nicht alle im gleichen Abstand zueinander laufen zu lassen, sondern z.B. immer 8 Polizeibeamte in gleichem Abstand und dann 2 Meter Lücke und dann wieder 8 Polizeibeamte im gleichen Abstand, antwortete der Zeuge, dass diese Möglichkeit aus polizeitaktischen Gründen nicht bestehe. Je nach Gefahrenlage würde entweder eine seitliche Begleitung gemacht und dann gingen alle Polizeibeamte im gleichen Abstand oder es würde keine seitliche Begleitung gemacht. Wenn in der seitlichen Begleitung Lücken gelassen würden, würde dies zu Problemen und Gefährdungen einzelner Beamter führen, da damit gerechnet werden müsste, dass gewaltbereite Demonstrationsteilnehmer diese Lücke in irgendeiner Weise ausnützten.

Die Aussage der Zeugin S. zu der Frage des Zu- und Abgangs zum und vom Demonstrationszug war demgegenüber wenig ergiebig. Sie führte aus, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, ob sie die den Demonstrationszug begleitenden Polizeibeamten während des Demonstrationszuges auch passiert habe, ob sie also gewissermaßen vom Demonstrationszug durch die Polizeibeamten durch nach draußen und wieder zurück Richtung Demonstrationszug gegangen sei. Sie könne sich auch nicht mehr erinnern, ob sie während des gesamten Demonstrationszuges wie in der Stresemannstraße die Demonstration gewissermaßen zwischen dem Demonstrationszug und den begleitenden Polizeibeamten begleitet habe. Sie habe sich deshalb nach ihrer Erinnerung nicht wirklich eingeschlossen gefühlt, weil sie ja ihren Abgeordnetenausweis habe und natürlich wisse, dass, wenn sie ihren Ausweis einem Polizeibeamten zeige, dieser sie immer durchlassen würde. Sie erinnere sich allerdings genau, dass sie ihren Abgeordnetenausweis bei dieser Demonstration nicht benutzt habe.

Diese Form der seitlichen Begleitung sowohl in der Anfangsphase als auch in der Form nach der erfolgten Sicherstellung des Transparentes stellt einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG dar. Die Art und Weise der seitlichen polizeilichen Begleitung des Demonstrationszuges im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates stellt schon deshalb einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar, weil ein völlig ungehinderter Zu- und Abgang zum und vom Demonstrationszug nicht möglich war, so dass unmittelbar in die positive und negative Versammlungsfreiheit eingegriffen wurde. Art. 8 Abs. 1 GG untersagt aber staatlichen Zwang, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, juris = E 69, 315). Aber auch eine "offene“ Begleitung in der Weise, die einen ungehinderten Zu- und Abgang noch gewährleistet, stellt einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG dar. Der Schutzbereich ist wie ausgeführt nicht nur dann betroffen, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wird, sondern auch, wenn die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04, juris, Rn. 14). Dies ist hier der Fall: Zum einen bewirkt auch eine "offene“ Begleitung eine nachhaltige Veränderung des Erscheinungsbildes der Versammlung und beeinflusst damit die Selbstdarstellung der Versammlungsteilnehmer. Zum anderen errichtet die beidseitige Begleitung auch eine psychische Barriere für die Teilnahme an der Demonstration und die Kommunikation zwischen den Demonstrationsteilnehmern und Passanten. Diese Wirkung unterscheidet die beidseitige Begleitung auch von der bloßen starken Polizeipräsenz (OVG Bremen, Urt. v. 27.3.1990, 1 BA 18/89, juris).

bb) Die vorgenommene Gefahrenprognose der Beklagten vermag diesen Eingriff nur zum Teil zu rechtfertigen.

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage. Hier kommt allein § 15 Abs. 1 VersG in Betracht. Nach § 15 Abs. 1 VersG kann ein Aufzug von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Die beschränkende Verfügung soll wie ausgeführt Rechtsgütern dienen, deren Schutz im betroffenen Fall der Ausübung der Versammlungsfreiheit vorgeht, und sie soll den Gefahren auf eine Weise entgegenwirken, die stärker beeinträchtigende Maßnahmen, etwa ein Verbot der Versammlung, nicht erforderlich werden lassen. Das für beschränkende Verfügungen vorauszusetzende Erfordernis einer unmittelbaren Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen daher erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ergibt. Als Grundlage der Prognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/04, juris, R. 19 f.). Nicht auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 VersG können demgegenüber behördliche Maßgaben erlassen werden, die nicht eine Abwehr konkret bevorstehender unmittelbarer Gefahren bezwecken, sondern sich in bloßen Hinweisen auf die allgemeine Rechtslage erschöpfen, Vorkehrungen für abstrakt gefährliche Tatbestände vorsehen oder im Sinne vorsorgender Maßnahmen lediglich den reibungslosen Ablauf einer Versammlung gewährleisten sollen (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, Az.: 1 BvR 2793/O4). Dabei umfasst § 15 Abs. 1 VersG nicht nur beschränkende Verfügungen im Sinne von Auflagen, sondern ermöglicht im Erst-Recht-Schluss auch Maßnahmen, die auf dem Katalog der der Polizei zur Abwehr unmittelbarer Gefahren zustehenden — auch Landesrechtlichen — Befugnisse beruhen, solange — angesichts der sog. Polizeirechtsfestigkeit des Versammlungsrechts — die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG vorliegen (BVerwG, Urt. v. 8.9.1981, Az.: I C 88.77).

Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die eine seitliche Begleitung in der Form gerechtfertigt hätte wie sie im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates stattfand, als die Polizeibeamten in einer Weise in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gegangen sind, dass der Zu- und Abgang zu diesem für Teilnehmer und Dritte deutlich erschwert wurde, lag nicht vor. Allerdings konnte die bestehende Gefährdungslage eine lockere polizeiliche Präsenz an den Seiten des Demonstrationszuges rechtfertigen.

Die seitliche Begleitung diente ausweislich der Ausführungen des Zeugen Dudde dem Schutz von sog. "Reizobjekten" auf dem Demonstrationsweg. Auf dem Demonstrationsweg gebe es eine Reihe von "Reizobjekten" wie z.B. eine Haspa-FiIiale, die leicht bei Demonstranten, die gewaltbereit seien, dazu führen könnten, dass dort Sachbeschädigungen begangen werden. Das generelle Einsatzkonzept der Polizei hinsichtlich derartiger gefährdeter Objekte gehe heute nicht mehr dahin, in erster Linie diese Objekte durch dort bereitgehaltene Polizeibeamte zu schützen, da sie die Erfahrung gemacht hätten, dass dieses Konzept in der Vergangenheit nicht ausreichend wirkungsvoll gewesen sei. Vielmehr versuche die Polizei derartige Objekte in erster Linie durch die seitliche Begleitung des Demonstrationszuges zu schützen. Ferner ist davon auszugehen, dass die seitliche Begleitung auch der Überwachung der Einhaltung des Marschweges sowie anderweitiger Auflagen diente. Das Aufsetzen der Helme diente ausweislich der Ausführungen des Zeugen Dudde dem Schutz der begleitenden Polizeibeamten. Der Zeuge Dudde betonte ausdrücklich, dass mit dem Aufsetzen der Helme nicht ein stärkerer Eindruck erzeugt werden sollte. Gleiches schilderte der Zeuge Ruschmeyer.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass zwar eine die lockere seitliche Begleitung (wie sie zunächst praktiziert wurde) rechtfertigende Gefahrenlage vorlag, da aufgrund der vorangegangenen Ereignisse des Tages die unmittelbare Gefahr bestand, dass es im Laufe der Demonstration zu Straftaten, insbesondere zu Sachbeschädigungen kommen könnte. Die Gefahrenlage war jedoch — auch nach der Sicherstellung des Transparents — nicht so gravierend, dass sie eine den Zu- und Abgang erheblich erschwerende Begleitung, wie sie später durchgeführt wurde, hätte rechtfertigen können. Denn die tatsächlichen Umstände rechtfertigten zu keinem Zeitpunkt die gesicherte Annahme, dass an der Versammlung eine nicht geringe Zahl gewaltbereiter Personen teilnehmen würde, von denen gewalttätige Aktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien. Das Gericht geht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass sich die Beklagte bei der Erstellung ihrer Gefahrenprognose von folgenden Gesichtspunkten hat leiten lassen: der Durchsuchung der "Roten Flora" am Morgen des im Rede stehenden Tages, dem äußeren Erscheinungsbild der Demonstranten, der Tageszeit der Demonstration, der Person des Anmelders, den Erfahrungen mit Gewalttätigkeiten anlässlich einer Demonstration im vorangegangenen Jahr sowie von den mündlich mitgeteilten Erkenntnissen des Staatsschutzes. Der Zeuge Dudde schilderte, dass die Gründe für die seitliche Begleitung im Wesentlichen dieselben waren wie die Gründe für die Transparentauflage. Hinsichtlich des Aufsetzens der Helme hat sich die Beklagte ferner von dem Auflagenverstoß leiten lassen. Der Zeuge Dudde schilderte, dass man allgemein sagen könne, dass in dem Moment, wo die Polizei feststelle, dass der Leiter der Demonstration es nicht mehr im ausreichenden Maße schaffe, auf einzelne Demonstrationsteilnehmer so einzuwirken, dass diese Verstöße gegen Auflagen unterließen, dies ein Zeichen sei, dass es Probleme geben könnte mit Personen, denen es nicht nur um die eigentliche Kundgabe des politischen Inhalts der Demonstration ginge. Die Beklagte hat im Laufe der Demonstration auch nicht ihre Gefahrenprognose revidiert. Der Zeuge Dudde führte aus, dass die Polizei in derartigen Fällen den Demonstrationszug währen der gesamten Zeit begleite und beobachte, wie sich die ·Situation entwickle. Sie würden entsprechend auf Veränderungen in der Gefahrenprognose reagieren. Im vorliegenden Fall habe es im Laufe des Demonstrationszuges keinen Anlass gegeben, anzunehmen, dass von einer geringeren Gefahr von Gewalttätigkeiten auszugehen sei. Vielmehr sei es so gewesen, dass im Anschluss an die Sicherstellung Transparentes nach Einschätzung der Polizei die Stimmung unter den Demonstranten angespannter geworden sei. Entsprechend sei es im weiteren Verlauf so gewesen, dass es aus Sicht der Polizei zu keinem Zeitpunkt eine Entspannung gegeben habe, die es aus Sicht der Polizei gerechtfertigt hätte, die Begleitung durch die Polizeibeamten wieder stärker zu lockern.

Diese Umstände, die die Beklagte für ihre Gefahrenprognose benannt hat, waren jedoch nicht geeignet, die gesicherte Annahme zu begründen, dass an der Versammlung eine nicht geringe Zahl gewaltbereiter Personen teilnehmen würde, von denen Sachbeschädigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien.

Zwar rechtfertigte die konkrete Gefahrenlage eine — wie zu Anfang praktiziert — lockere seitliche Begleitung des Demonstrationszuges. Die später verwirklichte enge Begleitung im Sinne einer durchgehenden, den Zu- und Abgang erheblich erschwerenden Reihe der Polizeikräfte war jedoch unverhältnismäßig und damit nicht gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gefahrenlage hätte die Beklagte die seitliche Begleitung so zurückhaltend wie möglich durchführen müssen, einen möglichst weiten Abstand zwischen den Polizeibeamten und einen möglichst weiten Abstand zum Demonstrationszugwahren müssen. Die Beklagte hätte bei ihrem Einsatzkonzept stärker berücksichtigen müssen, welche Außenwirkung von einer solchen Begleitung ausgeht. Vor allem hätte sie stärker berücksichtigen müssen, dass jede seitliche Begleitung die Wirkung einer Demonstration verändert und eine Barriere für die Kommunikation zwischen Versammlungsteilnehmern und Dritten aufbaut. Ferner hätte die Beklagte auch einem angemessenen Verhältnis zwischen Polizeikräften und Demonstrationsteilnehmern stärker Rechnung tragen müssen, auch um eine den Zu- und Abgang erheblich erschwerende durchgehende Reihe von Polizeikräften zu verhindern. In diesem Zusammenhang wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Tag um einen Sonntag handelte, an dem mithin am Marschweg gelegene Geschäfte, Banken etc. geschlossen waren.

Vor allem war es unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, dass der Zu- und Abgang zum und vom Demonstrationszug erschwert wurde. Eine der essentiellen Ausprägungen der Versammlungsfreiheit ist die positive und negative Versammlungsfreiheit, d.h. das Recht, an einer Versammlung teilzunehmen oder auch nicht teilzunehmen, dieser hinzuzutreten oder diese zu verlassen. Indem die begleitenden Polizeikräfte diesen Zu- und Abgang erschwert haben, indem sie nicht von selbst Lücken gelassen bzw. Lücken geöffnet haben, sondern erst nach Ansprache Personen durch ihre Reihen durchgelassen haben, haben sie nicht nur eine psychische Barriere gesetzt, sondern auch physisch den Zu- und Abgang in einer Weise erschwert, der mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit nicht hingenommen werden kann. Es muss jederzeit möglich sein, ungehindert die Reihen der Polizeikräfte zu passieren, zumal der Zugriff auf etwaige Straftäter auch durch eine lockere Begleitung gewährleistet wäre.

Ferner hätte die Beklagte ihr Einsatzkonzept an die Entwicklung der Demonstration anpassen müssen. Es ist für das Gericht nachvollziehbar, dass die Polizeikräfte im unmittelbaren Anschluss an die Sicherstellung des Transparents zunächst ihre Helme aufsetzten und mit einer angespannten Stimmung rechneten. Die Beklagte hätte jedoch im Anschluss daran die Begleitung wieder lockern und die Helme absetzen müssen. Auf dem Videobildmaterial der Beklagten ist zu sehen, dass es im Anschluss an die Sicherstellung zunächst zu einer Diskussion zwischen Versammlungsteilnehmern und Polizeikräften gekommen ist, die Demonstrationsteilnehmer dann aber friedlich weitergelaufen sind. Die Zeugin Schneider schilderte, dass es auch in der Situation, als die Polizeibeamten das Plakat entwendet hätten, keinerlei gewalttätige Reaktionen gegeben habe. Auch der Zeuge Dudde schilderte keinerlei gewalttätige Reaktionen. Keiner der Zeugen schilderte, dass es im weiteren Verlauf zu gewalttätigen Aktionen gekommen ist. Die Zeugin Schneider führte aus, dass sie sich nicht erinnern könne, dass es während der Demonstration von Seiten der Demonstranten irgendetwas gegeben habe, was als unfriedlich oder als potentiell gewalttätig hätte verstanden werden können. Sie könne sich auch an keine vermummten Demonstranten erinnern. Die Zeugin Möller führte aus, dass sie keinerlei Blockbildung oder Gruppenbildung wahrgenommen habe, die darauf abgezielt habe, nicht normal zu demonstrieren, sondern aus der Demonstration heraus gewalttätig zu werden. Vielmehr habe sie das Teilnehmerfeld der Demonstranten als ein bunt gemischtes Feld erlebt, so dass sie keinen Anlass für eine drohende Gewaltbereitschaft erkennen habe können. Auch der Zeuge Dudde schilderte keinerlei gewalttätige Aktionen.