Titel

VG Halle, Beschluss vom 17.04.2020, Az. 5 B 190/20 HAL


Ausreichendes Versammlungskonzept: VG erteilt Genehmigung

 


Zitiervorschlag: VG Halle, Beschluss vom 17.04.2020, Az. 5 B 190/20 HAL, zitiert nach POR-RAV


Teaser

"Menschenrechte gelten für alle: ZASt Halberstadt schließen!"

Art. 8 GG: Demo auch während Corona-Pandemie erlaubt.

Leitsatz

1. Jedenfalls bei eigenem Corona-Versammlungskonzept des Veranstalters kann Gefährdung der öff. Sicherheit ausscheiden.

2. Im Zweifel kein Versammlungsverbot, sondern ggf. einschränkende behördliche Auflagen.

3. Neben Antrag auf Herstellung aufschiebender Wirkung eines Widerspruchs kann dessen Auslegung ergeben, dass auch ein Verpflichtungsantrag nach § 123 VwGO gestellt ist.

Volltext



Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 16. April 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. April 2020 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verpflichtet, dem Antragsteller eine Sondergenehmigung nach § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CGV-2-EindV für die am Samstag, den 18. April 2020 beantragte Versammlung zu erteilen. Auflagen bleiben vorbehalten.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

GRÜNDE:

Die am 17. April 2020 von dem Antragsteiler beim beschließenden Gericht gestellten Anträge, die aufschiebende Wirkung seines am 16. April 2020 erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. April 2020 wiederherzustellen sowie die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller eine Sondergenehmigung nach § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV LSA für die für Samstag, den 18. April 2020 beantragte Versammlung zu erteilen, haben vollumfänglich Erfolg. Sie sind jeweils zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alternative VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs im Falle des Abs. 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Eine Wiederherstellung kommt u. a. dann in Betracht, wenn das für die Vollziehung des Bescheides noch vor seiner Bestandskraft sprechende öffentliche Interesse die Interessen des Antragstellers nicht überwiegt. Ob nämlich eine beabsichtigte hoheitliche Maßnahme unaufschiebbar und die Verwaltung deshalb ermächtigt ist, sie vor einer endgültigen Überprüfung durch die Gerichte zu vollziehen, bestimmt sich nach dem Zweck der Rechtsschutzgarantie und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen ist um so stärker und darf um so weniger zurückstehen, je gewichtiger die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23. 155/73 - BVerfGE 35, 382 [402]; Beschluss vom 21. März 1985 - 2 BvR 1642/83 - BVerfGE 69, 220 [227 f.); Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 - BVerfGE 69,315 [363]).

Zum einen kommt dabei den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgebliches Gewicht zu: Je größer sie sind, um so eher überwiegt das Interesse des Betroffenen, von Vollzugsmaßnahmen vor Bestandskraft verschont zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1982 - 2 BvR 77.82 - NVWZ 1982, 241). Zudem sind die Folgen für den Antragsteller, die zwangsläufig eintreten, wenn die begehrte Aussetzung einer Vollziehung nicht angeordnet wird, sich in der Hauptsache sein Rechtsschutzbegehren aber als erfolgreich darstellt, gegen die Folgen abzuwägen, die entstünden, wenn die Aussetzung der Vollziehung angeordnet würde, der Antragsteller im Hauptsacheverfahren aber keinen Erfolg hat.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 16. April 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. April 2020 Erfolg. Denn dieser Bescheid - mit welchem die vom Antragsteller angemeldete Versammlung am 18. April 2020 verboten worden ist - ist nach summarischer Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.

Zwar ist darin die nach § 80 Abs. 3 VwGO erforderliche besondere Begründung für die Anordnung des Sofortvollzuges des Versammlungsverbotes eingehalten. Die Antragsgegnerin hat für die Anordnung eine hinreichende, wenn auch knappe Begründung gegeben, die den formalen Anforderungen insoweit genügt, indem sie auf die aus ihrer Sicht nicht anderweitig abwendbare Gefahr verwiesen hat.

Das von der Antragsgegnerin verfügte Versammlungsverbot lässt sich jedoch nicht auf eine Rechtsgrundlage stützen. Nach Art. 8 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Nach § 13 Abs. 1 VersammlG LSA kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug von bestimmten Beschränkungen abhängig machen oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Gemäß § 13 Abs. 4 VersammlG LSA kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind. Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug, die oder der nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Satz 1 anzumelden war, darüber hinaus auflösen, wenn 1. keine Anmeldung erfolgte, 2. von den Angaben der Anmeldung abgewichen wird oder 3. den Beschränkungen zuwidergehandelt wird und andere Maßnahmen nicht ausreichen.

Der Begriff der "unmittelbaren Gefährdung" in § 13 Abs. 1 VersammlG LSA stellt besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts und damit auch strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad in dem Sinne, dass ein zum Eingriff berechtigender Sachverhalt (erst) vorliegt, wenn der Eintritt eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit, das heißt "fast mit Gewissheit" zu erwarten ist (vgl. zur früherer entsprechenden Regelung des § 16 Abs. 1 VersammlG: BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - 6 C 21/07 - DVBI 2008, 1248). Auch wegen der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Daher müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergibt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind deshalb konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Ein bloßer Verdacht oder Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 223, 341/81 - BVerfGE 69, 316; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 - juris). Wegen der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde insbesondere bei dem Erlass von Auflagen insoweit keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen, zumal ihr bei irriger Einschätzung die Möglichkeit einer späteren Auflösung der Versammlung nach § 13 Abs. 4 VersammlG LSA verbleibt (vgl. zu allem VG Halle, Beschluss vom 28. September 2018 - 3 B 422/18 mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 -1 BvR 233/81 und 341/81 - BVerfGE 69, 315, 342 ff; ThürOVG, Beschluss vom 12. November 1993-2 EO 147/93-ThürVBI. 1994,115).

Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist für die Kammer keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die vom Antragsteller angemeldete Versammlung zur maßgeblichen Zeit des Erlasses der Verfügung zu befürchten. Die öffentliche Sicherheit umfasst nach der in § 3 Nr. 1 SOG LSA enthaltenen Legaldefinition die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt.

Der insoweit von der Antragsgegnerin allein in Bezug genommene Verstoß gegen § 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV ist nach summarischer Prüfung zu verneinen. Der Antragsteller hat vielmehr unter Berücksichtigung der Bedeutung der in Art. 8 GG geregelten Versammlungsfreiheit jedenfalls einen Anspruch auf Zulassung der von ihm angemeldeten Veranstaltung nach § 1 Abs. 5 SARS-CoV-2-EindV. Hiernach können abweichend von Absatz 1 Satz 1 Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen oder Aufzüge unter freiem Himmel nach Durchführung einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die zuständige Versammlungsbehörde unter Beteiligung des zuständigen Gesundheitsamtes zugelassen werden.

Eine derartige individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung Ist aus der Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. April 2020 jedoch nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin macht darin vielmehr überwiegend Bedenken geltend, die jeder Versammlung im Zeitraum der Anwendbarkeit der 3. SARS-CoV-2-EindV entgegengehalten werden müssten und lässt damit die zur Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 GG bestehenden Spielräume außer Acht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 2020 -1 BvR 828/20 - Rn. 14).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Das Grundrecht schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011-1 BvR 699/06 - juris, Rn. 63 m.w.N.). Die von dem Antragsteller für den morgigen Tag geplante Versammlung unter dem Motto "Menschenrechte gelten für alle: ZASt Halberstadt schließen" erfüllt die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriffs ohne Weiteres.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf Art. 8 Abs. 1 GG nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 14. Mal 1985 - 1 BvR 233/81 - juris, Rn. 69; vgl. zudem BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 -1 BvR 699/06 - juris, Rn. 85).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner Ausprägung der Angemessenheit verlangt jedoch, dass nicht in unzumutbarer Weise in die grundrechtlich garantierte Freiheit eingegriffen wird (vgl. hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen: VG Hamburg, Beschluss vom 16. April 2020 - 17 E 1648/20). Die Schwere des Grundrechtseingriffs darf mit anderen Worten nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zwecken stehen. Diesen Anforderungen wird ein Versammlungsverbot im hiesigen Fall nach der summarischen Prüfung nicht gerecht.

Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei dem Schutz von Leben und Gesundheit im oben genannten Sinne um überragend wichtige verfassungsrechtliche Belange handelt, für die den Staat zudem eine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende grundrechtliche Schutzpflicht trifft (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 9. April 2020 -1 BvQ 29/20 - Rn. 8; siehe auch BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 -1 BvR 3262/07, juris, Rn. 119). Hieraus ist insbesondere die staatliche Befugnis herzuleiten, eine effektive Risikovorsorge gegen Gesundheitsgefährdungen zu treffen (BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 -1 BvR 3262/07 - juris, Rn. 119).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat aber auch die Versammlungsfreiheit hohen Rang. Verstanden als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, kommt ihr konstituierende Bedeutung für eine freiheitliche demokratische Staatsform zu (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - juris, Rn. 63; ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 -1 BvR 233/81 - juris, Rn. 63 ff.; zuletzt auch BVerfG, Beschluss vom 9. April 2020 -1 BvQ 29/20 - Rn. 7).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies in besonderem Maße für das parlamentarische System des Grundgesetzes, das kaum plebiszitäre Elemente enthält. Das Versammlungsrecht des Art. 8 Abs. 1 GG bereichert die demokratische Grundordnung damit um "ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie" (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985- 1 BvR 233/81 - juris, Rn. 66). Besondere Bedeutung erhält dieses Strukturelement der freiheitlich demokratischen Rechtsordnung naheliegenderweise bei Krisen und Gefahrenlagen, deren Bewältigung und Bekämpfung mit weitgehenden Beschränkungen grundrechtlicher Freiheiten einhergehen.

Des Weiteren kommt die Untersagung einer Versammlung nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung überhaupt nur in Betracht, wenn eine unmittelbare, aus erkennbaren Umständen herleitbare Gefahr für mit der Versammlungsfreiheit gleichwertige, elementare Rechtsgüter vorliegt. Für das Vorliegen der "unmittelbaren" Gefährdung bedarf es einer konkreten Gefahrenprognose (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011-1 BvR 699/06 - juris, Rn. 90). Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (vgl. hierzu m.w.N. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - juris. Rn. 9; vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1965 -1 BvR 233/81 - juris, Rn. 80).

Nach dem normativen Konzept der zur Gefahrenabwehr erlassenen Verordnung kann eine unmittelbare Gefahr für die zu schützenden Rechtsgüter bei Durchführung einer Versammlung, wie sie von dem Antragsteller angemeldet worden ist, von der Kammer nach summarischer Prüfung nicht erkannt werden.

Die Verordnung ist eine auf fachlicher Expertise beruhende Regelung, in der eine bestimmte Risikobewertung und zugleich ein Konzept der Risikovermeidung enthalten ist. Die Antragsgegnerin muss sich selbstverständlich an diesem Konzept festhalten lassen und ist von Verfassungs wegen gehalten, eben dieses Konzept der Risikobewertung und Gefahrenabwehr folgerichtig umzusetzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 - juris, Rn. 135). Die Antragsgegnerin geht in nicht zu beanstandender Weise von einer Pandemielage und einem entsprechend hohen Risiko der Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch aus, die nach derzeitiger Erkenntnislage durch Tröpfcheninfektion erfolgt. Es ist daher ohne Weiteres schlüssig, dass die Reduzierung menschlicher Kontakte das Mittel der Wahl ist, um die Wahrscheinlichkeit der Übertragung des Erregers zu reduzieren. Gleichwohl hat sich die 3. SARS-CoV-2-EindV nicht dafür entschieden, die Kontaktreduktion zu maximieren und Kontakte "auf Null" zu setzen. Dies hätte bedeutet, den öffentlichen Raum durch weitgehende Betretensverbote und entsprechende Verbote, den häuslichen Bereich zu verlassen, gleichsam zu entvölkern. Stattdessen hat sich die 3. SARS-CoV-2-EindV dazu entschieden, den öffentlichen Raum für den Bürger grundsätzlich freizugeben und die Kontaktreduzierung durch bestimmte Vorschriften zur Fragmentierung sozialer Gruppen und vor allem durch eine generelle Abstandsregelung zu erreichen. Indes gilt selbst diese Pflicht und damit die zentrale Maßnahme zur Risikoverminderung/Gefahrenabwehr nicht uneingeschränkt. Sie erfährt eine generelle Beschränkung dann, wenn die örtlichen oder räumlichen Verhältnisse ihre Einhaltung nicht zulassen, wie beispielsweise insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr.

Hinzu kommt, dass unter der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst dann, wenn unmittelbare Gefährdungen von Rechtsgütern zu befürchten wären, dem nicht durch ein generelles Verbot, sondern primär durch Auflagen entgegenzuwirken wäre. Die Untersagung einer Versammlung kommt als ultima ratio nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen anders nicht verhindert werden können (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - ein juris, Rn. 90). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen muss bereits bei der gesetzlichen Regelung eines Versammlungsverbotes Rechnung getragen werden.

Erhebliche Gefahren für Drifte oder die Allgemeinheit im Falle des Erlasses der beantragten einstweiligen Verfügung vermag die Kammer demgegenüber nicht erkennen. Nach dem vorgelegten Versammlungskonzept des Antragstellers wird dem Gesundheitsschutz bzw. Infektionsrisiken hinreichend Rechnung getragen: Der Teilnehmerkreis der nicht öffentlich beworbenen Versammlung ist auf die überschaubare Anzahl von 30 bis 50 Personen beschränkt. Des Weiteren plant der Antragsteller ausweislich seines Antrages vom 14. April 2020 bereits selbst umfangreiche Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die SARS-CoV-2-Pandemie. Hiernach wird die Teilnahme an der Versammlung nicht öffentlich, sondern nur intern (innerhalb des Bündnisses „Halle gegen Rechts - Bündnis für Zivilcourage") beworben und dabei bereits darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme nur unter der Voraussetzung der Einhaltung der Auflagen möglich ist. Die potentiellen Teilnehmer werden sich zudem mit Namen, Adressen und Telefonnummern bei dem Antragsteller melden und auf einer Liste erfasst. Des Weiteren werde ein Hinweisblatt erstellt, in dem neben dem Abstandsgebot von 2 m darauf hingewiesen werde, dass ein Ausschluss von Teilnehmern bei positiven Covid-19 Test oder bei einem Auslandsaufenthalt innerhalb der letzten 14 Tage oder bei Krankheitssymptomen hingewiesen wird. Des Weiteren werde auf die Erfassung der Teilnehmenden, die Husten- und Nieshygiene und die Verwendung eines Mund-Nasen-Schutzes hingewiesen. Die Teilnehmer werden zur Einhaltung der vorgenannten Regelungen aufgefordert und die Organisatoren halten ergänzend Mund-Nasen-Schutzmasken vor. Am Kundgebungsplatz ist beabsichtigt, mit Kreisen Stehplätze für die Kundgebung zu markieren, um die Abstände einzuhalten. Für Redebeiträge werde das Mikrofon jeweils mit einem Plastikschutz versehen und zwischen den Redebeiträgen desinfiziert. Zu Beginn der Versammlung werden die Ordner vorangemeldete Personen auf einer Liste abstreichen. An jeder Seite der Versammlung werden Ordner positioniert, welche Personen, die sich spontan der Demonstration anschließen wollen, auf die einzuhaltenden Auflagen hinweisen. Diesen würde man ein Hinweisblatt und einen Fragebogen aushändigen. Des Weiteren sind zusätzliche mit Kreide markierte Stehplätze für spontane Teilnehmer beabsichtigt.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Versammlungsteilnehmer den nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 3. SARS-CoV-2-EindV für ausreichend gehaltenen Mindestabstand von 1.5 Metern oder auch den vom Gesundheitsamt in der eingeholten Stellungnahme vom 14. April 2020 geforderten Mindestabstand von 2 m untereinander nicht einhalten könnten. Auch im Übrigen haben die Antragsteller hinreichende Vorkehrungen im Hinblick auf das Infektionsrisiko unter den Versammlungsteilnehmern getroffen: Unter Berücksichtigung der vom Antragsteller bereits angekündigten und tatsächlichen Gegebenheiten vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass durch die Versammlung selbst ein im Vergleich zu der Vielzahl an weiterhin erlaubten Verhaltensweisen (z.B. Spazierengehen und Joggen auf engem Raum, Benutzung von Bus und Bahn, beruflich bedingte Zusammenkünfte, z.B. Bauleiterbesprechungen auf Baustellen) ein gesteigertes Infektionsrisiko hervorgerufen oder die Erfüllung der vom Gesundheitsamt geforderten Schutzvorkehrungen nicht möglich sein wird. Falls notwendig könnte man durch die Erteilung von Auflagen dem Antragsteller noch weitere Vorkehrungen aufgeben.

Unzumutbare Gefährdungen bzw. Infektionsrisiken bestehen ferner nicht im Hinblick auf Passanten und an der Versammlung interessierten Personen. Die Versammlungsleitung und die Ordner werden nach dem Vortrag der Antragsteller die Einhaltung der Markierungen sicherstellen und Passanten bzw. interessierte Personen im Bedarfsfall auf die Einhaltung eines Abstandsgebots von 2 m hinweisen. Sollte es durch Passanten zu einer Unterschreitung der Mindestabstände kommen, obliegt es grundsätzlich der Antragsgegnerin, auf die Einhaltung der Mindestabstände hinzuwirken bzw. Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Umfeld der Versammlung zu unterbinden. Die Antragsgegnerin hat nicht plausibel dargelegt, dass und aus welchen Gründen es dem Veranstalter nicht möglich sein sollte, die Einhaltung des Mindestabstandsgebots von 2 m im Umfeld der Versammlung zu gewährleisten. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass die nicht öffentlich beworbene und von der Teilnehmerzahl stark beschränkte Versammlung auf dem Marktplatz - einer weitläufigen und übersichtlichen Freifläche - stattfindet, die nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsteller aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens derzeit weit weniger als sonst von der Öffentlichkeit frequentiert wird. Die Gefahrenprognose der Antragsgegnerin bleibt insgesamt zu unkonkret und ist nicht ausreichend untersetzt, um zu belegen, dass unzumutbare Gefährdungen bzw. Infektionsrisiken bestehen.

Der von der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vorgetragene Umstand, dass zu berücksichtigen sei, dass der als Rechtsextremist eingestufte Herrn Liebich auf dem Marktplatz erscheinen wird, um Störungen, beziehungsweise eine Gegenversammlung durchzuführen, Ist nicht geeignet, die vom Antragsteller geplante Versammlung zu verbieten. Grundsätzlich hat der Veranstalter das Selbstbestimmungsrecht, über Gegenstand, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu entscheiden. Treffen im gleichen Zeitraum verschiedene Demonstrationen in mit der öffentlichen Sicherheit unvereinbarer Weise am gleichen vorgesehenen Veranstaltungsort aufeinander, sind die den Versammlungsveranstaltern jeweils zustehenden Rechte aus Art. 8 GG im Wege der praktischen Konkordanz in Einklang zu bringen. Dabei ist nach dem Prioritätsprinzip grundsätzlich der zuerst angemeldeten Versammlung der Vorrang zu gewähren (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16. September 2015 -10 OS 15.2015 -juris).

Geht man mit der Antragsgegnerin davon aus, dass es durch die Überschneidung der Veranstaltungen zu einer erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommt, sind diese Veranstaltungen räumlich und ggf. auch zeitlich zu trennen. Hier hat der Antragsteller zuerst seine Versammlung angemeldet und eine etwaige anderweitige Versammlung ist noch nicht einmal mit der erforderlichen Sicherheit ersichtlich oder angemeldet, auch wenn diese aufgrund der insoweit bestehenden Erfahrung aus der Vergangenheit zu befürchten ist. Gerade dann, wenn in der Gegenveranstaltung auch eine Verhinderung der zuerst angemeldeten Versammlung angelegt ist, weil man mit seiner Versammlung den Versammlungsort der zuerst angemeldeten Versammlung nachträglich blockieren und für sich in Anspruch nehmen möchte, ist der Prioritätsgrundsatz bei der Frage der Herstellung der praktischen Konkordanz als wichtiger Abwägungsgesichtspunkt zum Tragen zu bringen. Von daher stellt sich hier nachhaltig die Frage, wenn die Antragsgegnerin meint, eine Trennung und Absicherung unter Berücksichtigung von bestehenden Infektionsrisiken beider Veranstaltungen auf dem Marktplatz nicht gewährleisten zu können, warum dann nicht die Gegenveranstaltung auf einen räumlich weiter entfernten Bereich in der Stadt verwiesen wird oder warum nicht eine zeitliche Trennung der Veranstaltungen erfolgt. Hierzu verhält sich die angefochtene Verfügung nicht und es kommt insofern zu einem Abwägungsausfall. Insbesondere wird aber nicht erklärt, warum ausnahmsweise dem Prioritätsgrundsatz nicht gefolgt werden soll.

Der zudem gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ebenfalls zulässig und begründet.

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn dies aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes (Anordnungsanspruch) und der Grund für die Dringlichkeit der Maßnahme (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen.

Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 M 69/14 - juris, Rn. 3 und vom 5. Januar 2007 -1 M 1/07 -juris, Rn. 3).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind nach summarischer Prüfung ebenfalls zu bejahen. Die Kammer konnte insofern offen lassen, ob das bereits dargestellte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG wirksam durch die 3. SARS-CoV-2-EindV eingeschränkt werden kann. Denn der Antragsteller könnte auch bei deren Anwendung für die von ihm angemeldete Veranstaltung jedenfalls eine Sondergenehmigung nach § 1 Abs. 5 3. SARS-CoV-2-EindV beanspruchen. Hiernach können abweichend von Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung Versammlungen in freien Räumen oder Aufzüge unter freiem Himmel nach Durchführung einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die zuständige Versammlungsbehörde unter Beteiligung des zuständigen Gesundheitsamtes zugelassen werden. Dabei können nach dessen Satz 2 über Absatz 4 Nr. 1 bis 5 hinausgehend, weitere Auflagen verfügt werden.

Der Antragsteller hat mit der Anmeldung der von ihm am 17. April 2020 geplanten Versammlung jedenfalls sinngemäß die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV beantragt. Denn er verwies am Ende seines Antrages ausdrücklich auf diese Regelung und führte aus, dass das von ihm vertretene Bündnis davon ausgehe, dass mit den von ihm genannten Schutzvorkehrungen die Versammlung durchgeführt werden kann.

Wie bereits dargestellt, ist eine individuelle Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV durch die Antragsgegnerin aus der Verbotsverfügung vom 16. April 2020 nicht ersichtlich. Bei Vornahme einer solchen durch die Kammer ist dem Antragsteller eine derartige Ausnahmegenehmigung zu erteilen, wobei der Erlass weiterer Auflagenvorbehalt bleibt. Zwar stellt § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV eine Ermessensnorm dar, da hiernach Versammlungen zugelassen werden können. Das Ermessen der Antragsgegnerin ist insoweit indes auf Null reduziert, da sich jede andere Entscheidung als die Erteilung einer Genehmigung als ermessenswidrig darstellen würde. Jede Ermessensausübung, die dem Antragsteller die begehrte Ausnahmegenehmigung verweigern würde, wäre unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

Insoweit ist zunächst die oben bereits dargestellte hohe Bedeutung der grundrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit sowie zusätzlich die bei der betroffenen Versammlung ebenfalls grundrechtlich in Art. 5 Abs. 1 GG normierte Meinungsfreiheit zu berücksichtigen. Diese Grundrechte werden auch in einer Notlage wie der gegenwärtigen Pandemie infolge des Coronavirus nicht vollständig außer Kraft gesetzt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass - wie ebenfalls bereits oben ausgeführt - die Einhaltung der von der 3. SARS-CoV-2-EindV geforderten Schutzvorkehrungen, Insbesondere des Abstandsgebotes, und der vom Gesundheitsamt in dessen Stellungnahme geforderten Schutzvorkehrungen entgegen der Annahme der Antragsgegnerin gerade nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Des Weiteren Ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten, dass die Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 5 Satz 2 der 3. SARS-CoV-2-EindV noch die Möglichkeit hat, über Absatz 4 Nr. 1 bis 5 hinausgehend, weitere Auflagen zu verfügen. Überdies kann die zuständige Behörde nach § 13 Abs. 4 VersammIG LSA eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach dessen Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

Andererseits war zwar zu berücksichtigen, dass im Unterschied zu der Konstellation, welche das VG Hamburg (a. a. 0.) in dem vom Antragsteller benannten Beschluss zu entscheiden hatte, hier keine besondere Dringlichkeit der vom Antragsteller beantragten Versammlung zu erkennen Ist. Denn insoweit waren für die Kammer nach summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich das Thema dieser Versammlung „Menschenrechte gelten für alle: ZASt Halberstadt schließen!" auf die infolge der Corona-Pandemie erfolgten Einschränkungen bezieht oder den Zeitraum der gegenwärtigen Pandemie in besonderer Weise betrifft. Insoweit erscheint es grundsätzlich möglich, diese Versammlung zeitlich zu verschieben. Dies ist dem Antragsteiler hier indes nicht zumutbar.

Zwar tritt die 3. SARS-CoV-2-EindV nach deren § 22 Abs. 2 mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft. Jedoch wurde bereits am 16. April 2020 die Vierte Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt verabschiedet, welche nach deren § 24 Abs. 1 Satz 1 am 20. April 2020 in Kraft tritt und in § 2 Abs. 1 ebenfalls ein generelles Versammlungsverbot regelt und in § 2 Abs. 5 eine im Wortlaut identische Ausnahmeregelung wie in der vorhergehenden dritten Verordnung in § 1 Abs. 5 enthält.

Zwar tritt diese Vierte Verordnung nach deren § 24 Abs. 2 grundsätzlich mit Ablauf des 3. Mai 2020 wieder außer Kraft. Jedoch ist in § 24 Abs. 3 dieser Verordnung sogar eine Verschärfung der für Versammlungen erfolgten Beschränkungen ab dem 4. Mai 2020 geregelt worden. Denn hiernach tritt § 2 Abs. 1 der 4. SARS-Co-V-2-ElndV erst mit Ablauf des 31. August 2020 außer Kraft. In diesem Absatz ist das grundsätzliche Verbot von öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen, Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossen Räumen, Aufzüge, Zusammenkünfte und Ansammlungen mit mehr als zwei Personen geregelt. Die insoweit in § 2 Abs. 2 bis 5 der 4. SARS-Co-V-2-EindV geregelten Ausnahmeregelungen von diesem Verbot treten indes nach dem bereits genannten § 24 Abs. 2 der 4. SARS-Co-V-2-EindV bereits mit Ablauf des 3. Mai 2020 außer Kraft, womit nach diesem Zeitpunkt Versammlungen, wie die des Antragstellers, ausnahmslos bis 31. August 2020 verboten sind.

Dem Antragsteller ist es jedoch unter Berücksichtigung der oben dargestellten Bedeutung der Versammlungsfreiheit nicht zumutbar, mindestens bis September 2020 auf eine derartige Versammlung zu verzichten. Denn bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist insbesondere auch die Dauer der Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Hier gilt der Grundsatz, dass das Freiheitsrecht - hier das Demonstrationsrecht - umso mehr Gewicht gewinnt, je länger seine Einschränkung andauert.

Ein Verweis des Antragstellers, er möge die von ihm beabsichtigte Demonstration solange zurückstellen, bis die Corona-Pandemie überwunden oder jedenfalls sämtliche erlassenen und vielleicht noch zu erlassenden Corona-Eindämmungsverordnungen ausgelaufen sind wäre unverhältnismäßig. Aus dieser Unverhältnismäßigkeit folgt auch, dass jede grundsätzliche Verweigerung der Ausnahmegenehmigung selbst unverhältnismäßig und damit rechtswidrig wäre.

Der Antragsteller hat neben dem Anordnungsanspruch auch den Grund für die Dringlichkeit der Maßnahme (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht, da für die bereits morgen geplante Veranstaltung eine Hauptsacheentscheidung zeitlich zu spät erfolgen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Für jeden der Anträge ist die Hälfte des Regelstreitwertes anzunehmen.

Rechtsmittelbelehrung:…..

Kommentar

Eine Beschwerde zum OVG ist von der Verwaltungsbehörde ersichtlich nicht eingelegt worden.

Auf der Website www.hallelife.de heißt es:

"Wegen der anhaltenden Risiken für die Allgemeinheit, die mit der Covid-19- Verbreitung zusammenhängen, wurde durch die zuständige Versammlungsbehörde zunächst eine Verbotsverfügung erteilt. Diese wurde verwaltungsgerichtlich überprüft und die Versammlung fand schließlich unter strengen Hygiene-Auflagen statt.

So fanden sich am 18.04.2020 zwischen 15:00 und 16:00 Uhr bis zu 50 Versammlungsteilnehmer auf dem halleschen Marktplatz ein.

Bis auf eine Beleidigung im Umfeld der Versammlung verlief die Versammlung störungsfrei."