Titel

VG Aachen, Beschluss vom 21.09.2020, Az. 7 L 676/20


Covid, Geschirr heiß spülen - Gewürzspender und Zahnstocher wegräumen

 


Zitiervorschlag: VG Aachen, Beschluss vom 21.09.2020, Az. 7 L 676/20, zitiert nach POR-RAV


Beschluss noch nicht rechtskräftig!
Letzte Bearbeitung: 28.12.2020, 13:27

Teaser

1. Ein Veranstalter muss auch eine Vielzahl von Auflagen (hier: 20) in Ordnungsverfügung befolgen.

2. Anordnung von Anwesenheitslisten bei Dauerversammlung

3. Rechtmäßige Zwangsgeldandrohung ist nicht so einfach

Leitsatz

1. Die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes im Hinblick auf eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungspflichten ist keine taugliche Grundlage für eine spätere Zwangsgeldfestsetzung.

2. Eine Androhung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen muß "pflichtenscharf" ausgestaltet sein.

3. Für Bagatellverstöße ist die Androhung eines Zwangsgeldes von 3.000,00 € unverhältnismäßig.

Volltext



TENOR

1. Die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Androhung von Zwangsmitteln in der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19. September 2020 wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3, die Antragsgegnerin zu 1/3.

3. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.



GRÜNDE

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 19. September 2020 hinsichtlich der Anordnungen gemäß Ziffern 5, 6 und 8 sowie hinsichtlich der Androhung eines Zwangsgeldes und des unmittelbaren Zwangs anzuordnen,

ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO ist zulässig und insbesondere statthaft. Der Ordnungsverfügung (gemeint: dem Rechtsmittel gegen die Ordnungsverfügung) kommt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung zu.

II. Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragsgegnerin aus.

Maßgebliches Kriterium innerhalb der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Denn an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein öffentliches Interesse bestehen. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.

Gemessen daran überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin in Bezug auf die Androhung des Zwangsgeldes und die Androhung unmittelbaren Zwangs. Im Übrigen erweist sich die Ordnungsverfügung in Bezug auf die in Rede stehende Anordnungen (Ziffern 5, 6 und 8) als offensichtlich rechtmäßig.

1.) Als Rechtsgrundlage für die in Rede stehenden Anordnungen unter Ziffern 5, 6 und 8 ist zutreffend § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG herangezogen worden. Danach kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Rechtliche Bedenken in formeller Hinsicht, konkret in Bezug auf die Zuständigkeit der Antragsgegnerin, drängen sich bei der allein gebotenen, aber auch nur möglichen summarischen Prüfung nicht auf. Der Antragsteller kann sich voraussichtlich nicht mit Erfolg auf die Konzentrationswirkung des Versammlungsrechts berufen. Denn hier berechtigt § 13 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) explizit die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach dem IfSG zuständige Behörde zur Anordnung von Schutzmaßnahmen. Die Kammer lässt es im vorliegenden Verfahren dahingestellt, ob diese Vorschrift mit Blick auf das – freilich bundesrechtlich nicht geregelte – Prinzip der Konzentrationswirkung des Versammlungsrechts verfassungsgemäß ist.

- Vgl. zu dieser Problematik Schlingloff, JuS 2020, 840 (840 f.).

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist der durch § 28 Abs. 1 IfSG gewährte Handlungsrahmen eröffnet. Zwar enthält die Coronaschutzverordnung in § 13 Abs. 1 bereits Regelungen zu geeigneten Vorkehrungen u.a. zur Hygiene. Allerdings bestimmt § 13 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 CoronaSchVO, dass die Absätze 1 und 2 nicht für Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz gelten. So liegt der Fall hier.

Das Polizeipräsidium Aachen hat als Versammlungsbehörde die beabsichtige Veranstaltung mit Bescheid vom 15. September 2020 als Versammlung bestätigt.

Sind Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Erkrankungen erforderlich, so können diese grundsätzlich nicht nur gegenüber den in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG genannten Personen, also gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern getroffen werden, sondern - soweit erforderlich - auch gegenüber Dritten (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG).

- Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 26 unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2468, S. 27; OVG NRW, B. vom 06.04.2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 70.

Hinsichtlich Art und Umfang der Gefahrenabwehrmaßnahmen ist der Behörde Ermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.

- Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 3 C 16/11 -, juris Rn. 24; VG Schleswig, B. vom 22.03.2020 - 1 B 17/20 -, juris Rn. 5; VG Bayreuth, B. vom 11.03.2020 - B 7 S 20.223 -, juris Rn. 44; VG Bremen, B. vom 26.03.2020 – 5 V 553/20 –, juris Rn. 30.

Hier lässt sich im Rahmen der durch § 114 Satz 1 VwGO eröffneten gerichtlichen Kontrolle nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin von dem ihr eingeräumten Ermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht hätte.

a) Anordnung Nr. 5

Gemäß § 2a Abs. 1 CoronaSchVO ist die einfache Rückverfolgbarkeit sichergestellt, wenn die den Begegnungsraum eröffnende Person alle anwesenden Personen mit deren Einverständnis mit Name, Adresse und Telefonnummer schriftlich erfasst und diese Daten für vier Wochen aufbewahrt. Gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 CoronaSchVO sind die Daten im Bedarfsfall der zuständigen Behörde auf Verlangen kostenfrei in einem von ihr nutzbaren Format zur Verfügung zu stellen.

Im Ausgangspunkt ist zu konstatieren, dass die Erhebung personenbezogener Daten ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff ist.

- Vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u.a. –, juris.

Die hier möglicherweise beeinträchtigte Versammlungsfreiheit gemäß Art 8 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Nach Absatz 2 der Norm kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Das Versammlungsrecht schützt die kollektive Persönlichkeitsentfaltung und Meinungskundgabe. Es ist wesentliches Element demokratischer Offenheit und in diesem Sinne für die freiheitlich-demokratische Grundordnung konstitutiv. Einschränkungen des Versammlungsrechts bedürfen der besonderen Rechtfertigung, die ihrerseits an der Bedeutung des Grundrechts zu messen ist und insbesondere verhältnismäßig, d.h. zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. Maßgebend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, die von der Behörde in Abwägung mit den Belangen des Infektionsschutzes zu gewichten sind.

- Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.04.2020 – 1 BvR 828/20 –, juris Rn. 14; - VG Köln, Beschluss vom 07.05.2020 – 7 L 809/20 –, juris Rn. 7.

Gemessen daran ist nicht von einer relevanten Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG durch die Anordnung unter Ziffer 5 auszugehen. Die Antragstellerin hat die Anordnung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalles getroffen. Sie hat plausibel darauf abgestellt, dass es sich um eine Dauerversammlung handelt. Insoweit liegt der Sachverhalt anders als der vom Verwaltungsgericht Köln in seinem Beschluss vom 07. Mai 2020 – 7 L 809/20 –, juris, zu beurteilende Fall, in dem es um eine einstündige Versammlung ging. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer Versammlung, die sich über eine Woche erstreckt, die Gefahr der Ansteckung grundlegend anders zu beurteilen ist und deswegen auch die Rückverfolgbarkeit nicht vernachlässigt werden darf.

Die generelle Eignung dieser Vorgehensweise kann auch nicht mit dem Argument in Abrede gestellt werden, dass sich gerade kritische Teilnehmer zu falschen Angaben veranlasst sehen könnten. Ein gewisses Maß an Rechtsgehorsam dürfte auch von den Teilnehmern der hier in Rede stehenden Veranstaltung zu erwarten sein, zumal wenn das Anliegen des Antragstellers, wie er behauptet, mit einem leichtfertigen Umgang mit der Gefährdung von Gesundheit und Leben von Teilnehmern unvereinbar ist. Ein Vergleich mit anderen Lebensbereichen, in denen aktuell Schutzmaßnahmen angepasst, d.h. gelockert werden, ist nicht geboten. Denn eine einwöchige Veranstaltung unterscheidet sich deutlich von vielem, was derzeit noch den staatlich angeordneten Schutzmaßnahmen unterworfen ist, z.B. Restaurantbesuche.

Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Maßnahme sei mit Blick auf die allen Teilnehmern des Camps ausgestellte sog. „Corona-ID“ nicht erforderlich.

Die Rückverfolgbarkeit verliert ihren Wert, wenn sie keine zügige Rückverfolgung ermöglicht. Dieser Aspekt erweist sich vorliegend als entscheidend, denn eine sog. „Corona-ID“ müsste zunächst entschlüsselt werden. Es ist offen, wie schnell dieser notwendige Zwischenschritt vollzogen werden könnte, zumal da in der derzeitigen Konzeption eine treuhänderische Datenverwaltung durch einen Dritten – angesprochen ist hier ein örtlicher Rechtsanwalt – nicht vorgesehen ist.

Soweit der Antragsteller beanstandet, die Anordnung gehe über die Vorgaben der Coronaschutzverordnung hinaus, weil die Daten auch ohne Einverständnis des Betroffenen erhoben werden müssten, folgt ihm die Kammer nicht. Die Formulierung „mit deren Einverständnis“ in § 2a Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO bringt eine datenschutzrechtliche Selbstverständlichkeit zum Ausdruck. Der Veranstalter ist aufgrund der Ordnungsverfügung jedenfalls nicht berechtigt, personenbezogene Daten ohne Einverständnis des Betroffenen zu erheben. Schließlich spricht gegen die Annahme eines erheblichen Eingriffs in Art. 8 Abs. 1 GG, dass die Daten nicht von vornherein erhoben werden. Der staatliche Zugriff ist erst für den Infektionsfall vorgesehen. Ob es dazu kommt, wird zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich vom Verhalten der Teilnehmer abhängen.

b) Anordnung Nr. 6

Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass auch in Bezug auf die auf § 2a Abs. 2 CoronaSchVO gestützte Anordnung unter Ziffer 6 der Ordnungsverfügung keine rechtlichen Bedenken bestehen.

c) Anordnung Nr. 8

Schließlich dürfte auch die Anordnung Nr. 8 voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 2 Nr. 5 CoronaSchVO. Darin ist ein Zusammentreffen in nicht besonders geregelten Fällen auf eine Gruppe von höchstens zehn Personen beschränkt. Es ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller von dieser für alle geltenden Vorgabe entbunden sein sollte. Für die Kammer ist insbesondere nicht erkennbar, wieso durch diese Anordnung der Zweck der Versammlung vereitelt werden könnte. Es ist eine Frage des organisatorischen Geschicks des Veranstalters zu bewerkstelligen, dass Vorträge und sonstige Aktivitäten nicht auf die zu bildenden Bezugsgruppen beschränkt bleiben. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf aktuell steigende Zahlen positiver PCR-Tests findet seine Bestätigung in der aktuellen Berichterstattung, wonach seitens der Länder erneut striktere Maßnahmen erwogen werden.

- Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article216174850/ Muenchen-Soeder-stellt-Maskenpflicht-auf-oeffentlichen-Plaetzen-in- Aussicht.html.

2.) Dagegen erweist sich die Androhung von Zwangsmitteln als offensichtlich rechtswidrig.

Vorliegend beruht die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,00 € auf § 63 VwVG NRW. Die Androhung muss sich auf bestimmte Zwangsmittel beziehen (vgl. § 63 Abs. 3 VwVG NRW). Nach § 63 Abs. 5 VwVG NRW ist das Zwangsgeld in bestimmter Höhe anzudrohen.

Vorliegend ist in der streitbefangenen Ordnungsverfügung ausgeführt, dass "im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen dieser Ordnungsverfügung" ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 € angedroht wird. Dies ist dem Wortlaut nach so zu verstehen, dass bei jedwedem Verstoß bereits mit der Festsetzung des Zwangsgeldes zu rechnen ist.

Die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes im Hinblick auf eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungspflichten ist aber keine taugliche Grundlage für eine spätere Zwangsgeldfestsetzung, wenn nicht erkennbar ist, für den Verstoß gegen welche Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist. Eine Androhung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen muss nämlich erkennen lassen, ob sie sich auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder nur auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich. Sie muss sozusagen "pflichtenscharf" ausgestaltet werden.

- Vgl. VG Aachen, Urteil vom 09.05.2006 – 6 K 506/06 -, juris Rn. 29; VGH BW, Urteil vom 17.08.1995 – 5 S 71/95 -, juris Rn. 20, 32; Hessischer VGH, Urteil vom 21.10.1993 – 4 UE 1286/89 - , juris Rn. 19.

Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass der von der Ordnungsverfügung Betroffene weiß, was er zu tun und zu unterlassen hat und worauf sich die Zwangsgeldandrohung bezieht.

- Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2003 – 13 B 1313/03 -, juris Rn.8.

Vorliegend sind aber die Auflagen Nr. 1 - 20 bereits sehr unterschiedlich gestaltet. Im Einzelnen lässt sich kaum hinsichtlich der Vollziehbarkeit bzw. Umsetzbarkeit deutlich genug erkennen, wann von einem Verstoß gegen eine bestimmte Auflage auszugehen ist. So wird in Ziffer 2 gefordert, dass die Versammlungsteilnehmer einen Mindestabstand von 1,5 m einhalten müssen. In Ziffer 3 heißt es, wo dieser Abstand nicht eingehalten werden könne, bestehe eine Verpflichtung, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen (ohne näher einzugrenzen, wo dies der Fall ist). In Ziffer 4 wird gefordert Mund-Nase-Bedeckungen regelmäßig zu wechseln (ohne anzugeben, in welchen Zeitabständen dies erforderlich sein soll). In Ziffer 12 heißt es, Gläser und Teller sollten möglichst bei mindestens 60 Grad gereinigt werden; ausnahmsweise seien niedrigere Temperaturen mit entsprechend wirksamen Tensiden/Spülmitteln ausreichend. In Ziffer 14 ist davon die Rede, Desinfektionsmittel seien in ausreichender Anzahl vorzuhalten.

Bereits diese Beispiele machen deutlich, dass es im Einzelnen relativ unbestimmt ist, was konkret gefordert wird – und insbesondere bei welchem Fehlverhalten von einem Verstoß auszugehen wäre, der die Verhängung eines Zwangsgeldes rechtfertigen würde.

Abgesehen hiervon sind einzelne Verpflichtungen (wie das Gebot Gebrauchsgegenstände wie Gewürzspender und Zahnstocher etc. nicht offen auf den Tisch zu stellen) derart lapidar, dass die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,00 € aufgrund einmaligen Verstoßes schlicht unverhältnismäßig wäre. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem vom OVG NRW entschiedenen Sachverhalt einer Ordnungsverfügung betreffend den Betrieb einer Apotheke, wo es erkennbar darum ging, jeglichen Verstoß umfassend abzuwehren bzw. mit einem Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € ggf. ahnden zu können bzw. zur Durchsetzung zu bringen. Im dortigen Fall war schon der geringstmögliche Verstoß gegen die Ordnungsverfügung so zu bewerten, dass das Zwangsgeld in voller Höhe hätte verhängt werden können.

- Vgl. OVG NRW , Beschluss vom 10.09.2003 – 13 B 1313/03 -, juris, Leitsatz und Rn. 9.

Abgesehen hiervon ist es auch rechtlich zu beanstanden, dass für den Fall wiederholt nicht oder nicht vollständigen Nachkommens der unmittelbare Zwang angedroht wird, wobei bei einer vom Veranstalter zu verantwortenden Nichtbefolgung der Ordnungsverfügung die Versammlung, ggf. durch Polizeikräfte und Vollzugsdienstkräfte beendet oder unmittelbar aufgelöst werden soll.

Es steht zwar außer Frage, dass als Zwangsmittel auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs grundsätzlich in Betracht kommt. Dies würde aber z.B. bei Ziffer 14 bedeuten, dass weitere Desinfektionsmittel ggf. kostenpflichtig (notfalls im Wege der Ersatzvornahme) bereitgestellt werden müssten; bei Ziffer 13 wäre ggf. durch unmittelbaren Zwang zu veranlassen, dass die Gebrauchsgegenstände von den Tischen entfernt werden. Derartige Maßnahmen würden aber deutlich hinter einer Versammlungsbeendigung unter Einsatz von Polizeikräften zurückbleiben.

Im Übrigen bleibt die Befugnis der Versammlungsbehörde zur Auflösung einer Versammlung nach § 15 Abs. 3 VersG unberührt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die Kammer sieht von einer Herabsetzung des Regelwertes ab, da die Entscheidung auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.

Rechtsmittelbelehrung…….

Kommentar

Eine nicht in allen Punkten nachvollziehbare Einzelfallentscheidung. Das IfSG ist 2020 später geändert/ergänzt worden.

Befremdlich ist, dass die Kammer die Verhängung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Ordnungsverfügung als "Ahndung" bezeichnet. Das Zwangsgeld darf auch im Fall seiner Festsetzung nicht mehr durchgesetzt werden, wenn der angestrebte Zweck erreicht ist (§ 65 Abs. 3 VwVG NRW, so auch in den anderen Bundesländern). Hier werden Zwangsgeld und Bußgeld verwechselt.