Titel

VerwGH Mannheim, Urteil vom 14.12.2010, Az. 1 S 338/10
Freiheitsentziehung nach erfolgter Personalienfeststellung ist nur in Ausnahmefällen zulässig.

 


Zitiervorschlag: VerwGH Mannheim, Urteil vom 14.12.2010, Az. 1 S 338/10, zitiert nach POR-RAV


Gericht:

Aktenzeichen:

Datum:


Teaser

Mit Vorlage des Personalausweises ist die Identitätsfeststellung regelmäßig abgeschlossen. Eine Freiheitsentziehung zur Durchführung eines Datenabgleichs ist unzulässig.

Leitsatz

Zur Personalienfeststellung genügt die Vorlage eines gültigen Personalausweises, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung oder sonstige Unstimmigkeiten vorliegen. Eine "Sistierung" zur Personalienfeststellung ist nur dann zulässig, wenn sie zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien ist regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff. In jedem Fall ist allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung unzulässig.

Volltext

TENOR

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 - teilweise geändert. Es wird festgestellt, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen die Klägerin ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ein Viertel, der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

GRÜNDE

Tatbestand

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die ihr gegenüber in den Morgenstunden des 02.05.2008 ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung sowie die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.

Am 01.05.2008 fand in Freiburg das sog. Spechtpassagenfest statt. Für dieses Fest war die Wilhelmstraße zwischen Sedan- und Belfortstraße mit Genehmigung der Stadt Freiburg von 11.00 Uhr bis 24.00 Uhr gesperrt. Nach 22.00 Uhr versammelten sich mehr als 100 Personen im Bereich Wilhelmstraße Ecke Belfortstraße, aus deren Mitte heraus auf der Fahrbahn ein großes Feuer entzündet wurde, das bis gegen 2.00 Uhr morgens durch Nachlegen insbesondere von Holz in Brand gehalten wurde. Gegen 2.25 Uhr wurde eine männliche Person, die von der Polizei als Hauptverursacher des Feuers angesehen wurde, in einiger Entfernung von der Feuerstelle festgenommen.

Die Klägerin befand sich in der Zeit zwischen 2.15 Uhr und 2.25 Uhr in unmittelbarer Nähe des Feuers. Zu diesem Zeitpunkt schritten Polizeibeamte, die das Geschehen bis dahin aus einiger Entfernung beobachtet hatten, gegen die um das Feuer herumstehenden Personen ein. Im Zuge dessen wurden die Klägerin, nachdem sie der Polizei auf Aufforderung ihren Personalausweis ausgehändigt hatte, auf das etwa 300 m entfernte Polizeirevier Freiburg-Nord mitgenommen. Dort wurden ihre Personalien mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen, Lichtbilder von ihr gefertigt und sie wurde körperlich durchsucht. Die Klägerin durfte das Polizeirevier gegen 3.05 Uhr wieder verlassen.

Am 26.05.2008 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Über die polizeilichen Maßnahmen gegen sie sei in der regionalen Presse berichtet worden. Sie fühle sich daher in ihrem beruflichen Ansehen als Lehrerin und Stadträtin beschädigt. Die gegen sie ergriffenen Maßnahmen seien rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Personenfeststellung seien nicht erfüllt. Denn von ihr sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Sie habe das Feuer weder entzündet noch Brennmaterial nachgelegt. Als sie an die Feuerstelle gekommen sei, habe das Feuer bereits seit mehreren Stunden gebrannt, ohne dass die Polizei eingeschritten sei. Eine von dem Feuer ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung sei ihr deshalb nicht zuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei seien außer ihr nur noch zwei weitere sich ebenfalls friedlich verhaltende Personen in der Nähe des Feuers gewesen. Falls es an anderer Stelle Störungen gegeben haben sollte, wäre die Identitätsfeststellung ihr gegenüber jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da sie damit erkennbar nichts zu tun gehabt habe. Selbst bei Einstufung ihrer Person als (Anscheins-)Störerin hätten der Polizei mildere Mittel als die Personenfeststellung zur Verfügung gestanden. Man hätte ihr gegenüber den Grund der polizeilichen Maßnahme nennen müssen, um ihr Gelegenheit zu geben, den Gefahrenraum freiwillig zu verlassen, ohne ihre Daten preisgeben zu müssen. Erst recht sei die mit der Personenfeststellung verbundene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen, da sie den Polizeibeamten auf Aufforderung sofort ihren Personalausweis ausgehändigt habe.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Polizeidirektion vom 17.06.2008 ausgeführt: An den Aktionen des Spechtpassagenfestes hätten in der Nacht vom 01. auf den 02.05.2008 etwa 1.700 Personen teilgenommen. Im Vorjahr habe es bei einer vergleichbaren Veranstaltung einen Angriff auf den Polizeiführer und polizeiliche Einsatzkräfte gegeben, so dass auch im Jahr 2008 mit aggressivem Verhalten zu rechnen gewesen sei. Abgesehen von dem um 22.00 Uhr auf öffentlicher Straße entzündeten Feuer sei das Straßenfest störungsfrei verlaufen. In einer Entfernung von 20 bis 30 m um das Feuer hätten sich mehrere Bauschuttcontainer mit brennbarem Material befunden. In der ersten Zeit nach dem Entzünden des Feuers hätten zunächst die nötigen Einsatzkräfte mobilisiert werden müssen. Dies habe bis gegen 23.30 Uhr gedauert. Das Vorhandensein der vollzähligen Einsatzkräfte sei mit den ersten stärkeren Abwanderungsbewegungen aus dem Einsatzraum zusammengefallen. Von vornherein habe man Wert darauf gelegt, Beweissicherung zu betreiben. Die damit befassten Polizeikräfte hätten sich jedoch immer wieder zurückziehen müssen, weil bei ihrem Erkennen Gegenstände und Flaschen gegen sie geworfen worden seien. Mindestens ein Flaschenwurf habe eindeutig einer männlichen Person zugeordnet werden können, die das Feuer wesentlich unterhalten und bestimmend auf die Gruppe eingewirkt habe. Diese Person habe gegen 0.45 Uhr auch versucht, einen Bauschuttcontainer in der Belfortstraße in Brand zu setzen. Eine Ausbreitung des Brandes habe nur dadurch verhindert werden können, dass Polizeikräfte die Flammen ausgetreten hätten. Während dessen seien sie aus der Gruppe mit Flaschen beworfen worden, die teilweise über ihnen an der Hauswand oder unmittelbar in ihrer Nähe zerborsten seien. Um eine Eskalation zu vermeiden, sei ein erster Versuch der vorläufigen Festnahme der brandstiftenden Person abgebrochen worden. Nach 23.30 Uhr hätten Personen vereinzelt die Gruppe um das Feuer verlassen, andere Passanten oder Festbesucher seien hinzugekommen. Wegen der Gefahr von Solidarisierungsaktionen habe die Polizei zunächst von Maßnahmen abgesehen. Noch um 1.45 Uhr seien Holzpaletten nachgelegt worden, ein baldiges Beenden des Feuers sei somit nicht zu erwarten gewesen. Um 2.25 Uhr hätten sich etwa 20 Personen im Bereich der Feuerstelle aufgehalten, 6 davon in unmittelbarer Nähe. Als die tatverdächtige männliche Person, die zuvor maßgeblich das Feuer unterhalten habe, den Bereich verlassen habe, sei sie etwas abgesetzt vorläufig festgenommen worden. Bei den nach 2.15 Uhr unmittelbar an der Feuerstelle befindlichen Personen seien dann die Personalien festgestellt worden. Hierzu und zu weiteren Maßnahmen seien sie auf das Polizeirevier Freiburg-Nord verbracht worden. Die Klägerin habe sich zum Kontrollzeitpunkt in der Gruppe unmittelbar am Feuer aufgehalten, unter der sich kurz zuvor auch noch der Tatverdächtige befunden habe. Die Gesamtumstände hätten die Annahme begründet, dass die Klägerin zur Gruppe der Störer gehört habe. Sie habe sich in unmittelbarer Nähe des Feuers mit anderen Personen aus dem Kreis um den festgenommenen Tatverdächtigen aufgehalten und dies zu einer Zeit, als ein Großteil der Leute diesen Bereich bereits verlassen hätten. Die Klägerin habe ihrerseits nicht darauf hingewirkt, das Feuer zu löschen oder die Straße zu verlassen. Sie sei aufgefordert worden, zum Polizeirevier Freiburg-Nord mitzukommen, um dort ihre Personalien festzustellen, eine Durchsuchung ihrer Person durchzuführen und Lichtbilder von ihr zu fertigen. Die Feststellung der Identität und die Fertigung von Lichtbildern habe gewährleisten sollen, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Form des Errichtens und Betreibens einer Feuerstelle im öffentlichen Straßenraum zu beseitigen und weitere Gefahren zu verhindern. Von einem früheren Eingreifen habe man aus taktischen Gründen abgesehen. Noch gegen 2.00 Uhr seien Plastikbierkästen und Styropor in das offene Feuer geworfen worden. Ziel der anschließenden polizeilichen Maßnahmen sei neben der deeskalierenden Strategie die vorläufige Festnahme und die Personalienfeststellung des zuvor erkannten Tatverdächtigen sowie die Beseitigung der Feuerstelle und die Entfernung der zahllosen Flaschen und Scherben auf der Fahrbahn gewesen. Die Maßnahmen hätten der Störungsbeseitigung und der Gefahrenabwehr im Hinblick auf weiteren Passanten- und Fahrzeugverkehr sowie der Sicherung des Tatbefundes zur Strafermittlung gedient. Es treffe zu, dass die Klägerin vor Ort ihren Personalausweis ausgehändigt habe. Jedoch sei eine weitere Überprüfung im Hinblick auf Fahndungsnotierungen und Anderes erforderlich gewesen. Um eine Eskalation zu verhindern, sei entschieden worden, die Personalienfeststellung und -überprüfung auf dem Polizeirevier durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt hätten keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorgelegen, wie viele Personen sich noch im Sedanquartier aufgehalten hätten. Nach den Erfahrungen vorangegangener Einsätze sei mit dem überraschenden Wiedererscheinen weiterer Personen, die sich in das Geschehen einmischen könnten, zu rechnen gewesen. Durch die Personenkontrolle habe man potentielle Störer aus der Anonymität reißen und gewährleisten wollen, sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als Störer oder Gefährder identifizieren zu können. Die Mitnahme auf das Polizeirevier sei erforderlich gewesen, um ein Löschen des Feuers durch die Feuerwehr und die anschließende Reinigung der Straßen zu ermöglichen sowie um umstehende Personen bei den Löschmaßnahmen nicht zu gefährden. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit seien gewahrt. Im Kontrollzeitpunkt sei zwar eine Abwanderungsbewegung zu verzeichnen gewesen, gleichzeitig sei jedoch befürchtet worden, dass weitere Personen nach Verlassen einer benachbarten Diskothek wieder zu einem Anschwellen der Personenzahl beitragen könnten.

Mit Urteil vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Polizeivollzugsdienst gegen die Klägerin ergriffenen Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, der körperlichen Durchsuchung, des mit diesen Maßnahmen verbundenen Festhaltens auf dem Polizeirevier sowie der Speicherung von Lichtbildern von der Klägerin rechtswidrig waren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung insoweit ausgeführt: Die bei der Klägerin vorgenommene Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG sowie die damit verbundene Sistierung während der Dauer der Personenfeststellung erwiesen sich als rechtmäßig. Bei ihrem Einschreiten gegen die Klägerin sei es der Polizei zum einen darum gegangen, das Feuer auf der Straße zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen (Beseitigung einer Störung), und zum anderen darum, zu verhindern, dass Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer weiterunterhalten bzw. an anderen Orten neue Feuer anzünden (Abwehr von erneuten Gefahren für fremde Rechtsgüter und Verhinderung der Begehung weiterer Straftaten). Zwar gehe die Feststellung der Personalien der an der Feuerstelle angetroffenen Personen auf den ersten Blick an der Erreichung dieser präventivpolizeilichen Ziele vorbei. Bei näherer Betrachtung sei die Personenfeststellung als Gefahrenabwehrmaßnahme jedoch sinnvoll, da sie grundsätzlich geeignet sei, potentielle Störer von weiteren Störungen, hier von der weiteren Unterhaltung des Feuers bzw. der Entzündung eines anderen Feuers, abzuhalten. Die Auffassung der Polizei, dass die an der Feuerstelle angetroffenen Personen durch eine Feststellung ihrer Personalien aus ihrer Anonymität gerissen würden und deshalb von einer eventuell vorhandenen Absicht, weitere Störungen zu begehen, abgehalten werden könnten, könne rechtlich nicht beanstandet werden. Die Personenfeststellung sei unter den gegebenen Umständen auch das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewesen. Die Auffassung der Klägerin, es hätte gereicht, wenn die Polizei sie formlos gebeten hätte, den Platz zu verlassen, damit das Feuer gelöscht und die Straße geräumt werden könne, bzw. - falls das nicht zum Erfolg geführt hätte - einen förmlichen Platzverweis gegen sie auszusprechen, gehe fehl. Die Klägerin sei aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht zu Recht zumindest als Anscheinsstörerin angesehen worden, weil sie sich in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten bzw. Störungen an der Feuerstelle aufgehalten habe. Darüber hinaus habe sie eine Bierflasche in der Hand gehalten, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach in Richtung der anrückenden Polizeibeamten geworfen worden sei. Bei dieser Sachlage sei es naheliegend, die Klägerin in die Nähe der Verantwortlichen für die vorangegangenen und noch andauernden Störungen zu rücken. Außerdem habe die Polizei mit der Störungsbeseitigung nicht beginnen können, solange sich noch Personen an der Feuerstelle aufgehalten hätten. Denn es habe angesichts des ständigen Kommens und Gehens die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden, dass sich weitere Personen hinzugesellen würden und erneut eine Situation eintrete, wie sie kurz zuvor gegeben gewesen sei und wie sie die Polizei nach Möglichkeit habe vermeiden wollen. Ein Platzverweis allein wäre kein gleichermaßen geeignetes und zugleich milderes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die handelnden Polizeibeamten nicht hätten einschätzen können, wen sie in Person der Klägerin und der anderen am Feuer anwesenden Personen vor sich hatten und ob diese nicht eventuell zur Gruppe der vorherigen Störer gehörten. In letzterem Fall hätte ein Platzverweis, der sich sowohl im Hinblick auf das Ziel der Polizei, das Feuer zu löschen und die Befahrbarkeit der Straße wiederherzustellen, als auch im Hinblick auf seine praktische Umsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit wohl nur auf den Einmündungsbereich Wilhelmstraße/Belfortstraße hätte beziehen können, die durchaus realistische Gefahr begründet, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer versammelt und die Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, um dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und finden zu können. Durch die Feststellung der Personalien werde ein potentieller Störer demgegenüber aus der Anonymität gerissen und wisse, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden könne. Deshalb seien Personenfeststellungen durchaus geeignet, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten. Auch die Sistierung sei rechtmäßig gewesen. Angesichts der angespannten Atmosphäre, die kurz zuvor zwischen der Polizei und den um das Feuer versammelten Personen geherrscht habe und bei der es auch zu gewalttätigen Angriffen gegenüber Polizeibeamten gekommen sei, könne es nicht beanstandet werden, wenn die Polizei die Personenfeststellungen, um eine Eskalation zu vermeiden, nicht vor den Augen potentieller Störer habe durchführen wollen.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 17.02.2010 - 1 S 732/09 – zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Personenfeststellung sei rechtswidrig, weil die festgestellten Tatsachen es nicht rechtfertigten, sie als Anscheinsstörerin anzusehen. Die Polizeibeamten hätten aus der ex-ante-Sicht eines objektiven Beobachters nicht zu der Einschätzung gelangen dürfen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Klägerin angetroffen hätten, deren Verhalten bei ungehindertem Weiterlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Die im Urteil festgestellten Tatsachen rechtfertigten die Annahme einer von ihr ausgehenden Gefahr nicht. Die Klägerin sei erst nach dem Vorkommen von Störungen wahrgenommen worden und habe selbst kein Verhalten gezeigt, das als Störung oder Gefahr interpretiert werden könnte. Soweit das Urteil sich auf frühere Störungen beziehe, stelle dies eine rechtsfehlerhafte Verlagerung des ex-ante-Zeitpunkts in den Zeitraum vor Wahrnehmung der Klägerin durch die Polizeibeamten dar. Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin zu Recht als Anscheinsstörerin eingestuft worden sei, sei jedenfalls die erfolgte Sistierung rechtswidrig, weil eine Identitätsfeststellung ohne Weiteres vor Ort möglich gewesen sei. Die Annahme einer möglichen Störung durch Dritte biete keine rechtliche Grundlage für die Ingewahrsamnahme.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5. Februar 2009 - 4 K 961/08 – zu ändern und festzustellen, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 2. Mai 2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Identitätsfeststellung am Ort des Geschehens sei nicht möglich gewesen, weil aufgrund in der Vergangenheit gemachter Erfahrungen eine Eskalation durch Solidarisierungen oder gar Befreiungsaktionen hätten befürchtet werden müssen, so dass die Personenfeststellung und der Datenabgleich mit der Fahndungsdatei nur auf der Wache ungestört hätten durchgeführt werden können. Zudem sei beabsichtigt gewesen, die Feuerstelle schnellstmöglich zu räumen, um die erforderlichen Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen und damit dem rechtswidrigen Geschehen ein Ende zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass die Polizeidienststelle bereits nach wenigen Minuten Fußweg erreicht worden sei und sich die Aufenthaltsdauer auf der Dienststelle auf das zur Durchführung der Maßnahmen unbedingt Erforderliche beschränkt habe, sei die Sistierung auch verhältnismäßig gewesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die von Polizeivollzugsbeamten der Polizeidirektion Freiburg in den Morgenstunden des 02.05.2008 gegen sie ergriffene Maßnahme der Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung rechtswidrig war. Ihre insgesamt zulässige Klage ist in diesem Umfang begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hingegen die Klage als unbegründet abgewiesen, soweit die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personenfeststellung als solche begehrt hat.

I.

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren Rechtsschutz gegen die - erledigte - Personenfeststellung und die damit verbundene Sistierung.

1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs ist nach § 17 a Abs. 5 GVG vom Senat nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht als gegeben angesehen. Entscheidend ist, ob das Schwergewicht des polizeilichen Handelns auf der Strafverfolgung oder auf der Gefahrenabwehr liegt. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, Urt. v. 03.12.1974 - I C 11.73 - BVerwGE 47, 255 und Urt. v. 19.10.1982 - 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192; Senatsurteil vom 16.05.1988 - 1 S 1826/87 - VBlBW 1989, 16). Hier erfolgte die Personenfeststellung nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten primär zum Zweck der Gefahrenabwehr.

Der Beklagte hat die Personenfeststellung ausschließlich auf die Ermächtigungsgrundlage des § 26 PolG gestützt. Auch die Klägerin hat dies so verstanden, obwohl ihr - ebenso wie ihrem Begleiter, dem Zeugen E. - ausweislich ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bei der Sistierung eröffnet worden war, es bestehe der Verdacht auf Landfriedensbruch. Nachdem indes, wie der Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf telefonische Anfrage am 14.05.2008 mitgeteilt hat, kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingeleitet wurde, war es aus ihrer Perspektive naheliegend, davon auszugehen, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen primär der Gefahrenabwehr dienen sollten.

2. Bei der Personenfeststellung nach § 26 PolG handelt es sich um eine polizeiliche Standardmaßnahme, die ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt ist (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 315 ff., 334; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Rn. 29 ff. <32>; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 215 f.). Die Klage ist, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung mit Abschluss der Personenfeststellung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Als Adressatin der angegriffenen Maßnahme ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).

3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288; Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 – VBlBW 2010, 468).

4. Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>; Senatsurteil vom 19.08.2010 - 1 S 2266/09 - DVBl 2010, 1569 m.w.N.). Im Übrigen wurde die Klage binnen Monatsfrist erhoben.

5. Die Klägerin hat auch das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - a.a.O.) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Feststellung ergibt sich jedenfalls aus der erstrebten Rehabilitation. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 - 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 142 m.w.N.; BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Dies ist hier zu bejahen, nachdem die in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Personenfeststellung Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung in der Regionalpresse unter voller Namensnennung und unter Hervorhebung der Stellung der Klägerin als Stadträtin war.

II.

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die auf § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG gestützte Personenfeststellung als solche war rechtmäßig. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).

1. a) Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Personenfeststellung bestehen keine Bedenken. Die Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes folgt aus § 60 Abs. 3 PolG. Eine Anhörung der Klägerin war nach § 28 Abs. 2 Nr.1 LVwVfG entbehrlich. Weil der Verwaltungsakt mündlich erlassen wurde, war auch keine Begründung erforderlich (vgl. § 39 Abs. 1 LVwVfG).

b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die Identität einer Person feststellen, um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Hier war bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, die zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei noch anhielt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Feuer auf der öffentlichen Straße und der Zustand der mit Glasscherben, Flaschen und anderen Gegenständen übersäten Abschnitte der Wilhelm- und Belfortstraße eine noch anhaltende Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte, die ein polizeiliches Einschreiten mit dem Ziel der Störungsbeseitigung erforderte. Zudem bestand die Gefahr, dass weitere Personen an die Feuerstelle zurückkehren und das Feuer in Gang halten bzw. an anderen Orten neue Feuer entzünden.

c) Die Klägerin wurde zu Recht jedenfalls als Anscheinsstörerin angesehen.

Die Personenfeststellung nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG darf nur gegenüber einem Störer nach §§ 6, 7 PolG getroffen werden, gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 PolG nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 26 Rn. 11; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 26 Rn. 5; Würtenberger/Heckmann, a.a.O. Rn. 324).

Verhaltensstörer im Sinne des § 6 PolG ist auch der Anscheinsstörer. Anscheinsstörer ist, wer ex post betrachtet nicht wirklich eine Gefahr verursacht, aber ex ante betrachtet bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck der Gefahrverursachung erweckt (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., L Rn. 42). Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Die herrschende Meinung versteht unter einem Anscheinsstörer eine Person, die entweder durch ihr Verhalten eine Anscheinsgefahr oder hinsichtlich einer real bestehenden Gefahr durch ihr Verhalten einen Verursacherschein gesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 12.02.1990 - 1 S 1646/89 - NVwZ-RR 1990, 602 = DÖV 1990, 572 m.w.N.; Belz/Mußmann, a.a.O., § 6 Rn.10). Der Begriff Anscheinsstörer wird in der zweiten Fallgruppe auf Konstellationen angewandt, in denen die Gefahr wahrscheinlich ist oder gar feststeht, in denen aber hinsichtlich des Verantwortlichen nur eine Möglichkeit oder ein Verdacht besteht. Ist nicht die Existenz einer Gefahr, sondern deren Urheber ungeklärt, besteht also der Verdacht einer Gefahrverursachung, soll der Betreffende als Anscheinsverursacher in Anspruch genommen werden können (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O. § 7 Rn. 6). In der Literatur wird in dieser Fallgruppe darüber hinaus teilweise verlangt, dass die Person den Anschein durch ihr Verhalten bzw. eine ihr zuzuordnende Sache unmittelbar verursacht hat (so etwa Schenke/Ruthig, Rechtsscheinhaftung im Polizei- und Ordnungsrecht? - Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des sog. Anscheinsstörers, VerwArch 87 (1996), 329 <331>). Auch nach dieser Auffassung setzt die unmittelbare Verursachung indes nicht zwingend einen Verstoß gegen eine bestimmte Rechtsnorm voraus. Es genügt, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut (Irreführungsrisiko). Selbst wer nicht weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, übernimmt das Risiko dafür, dass aus seinem Verhalten in der Öffentlichkeit auf seine Störereigenschaft geschlossen wird (Schenke/Ruthig, a.a.O. S. 340 f.).

Daran gemessen ist die Störereigenschaft hier selbst bei Zugrundelegung der engeren Auffassung von Schenke/Ruthig zu bejahen, so dass der Senat offen lassen kann, ob der Begriff des Anscheinsstörers in diesem Sinne einzugrenzen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Feuer von Personen, die sich um die Feuerstelle versammelt hatten, gegen 22.00 Uhr entzündet und bis gegen 2.00 Uhr unterhalten wurde. Von den um das Feuer versammelten Personen waren Aggressionen gegenüber sich nähernden Polizeibeamten ausgegangen (Werfen von Bierflaschen und anderen Gegenständen). Als die Klägerin gegen 2.15 Uhr an der Feuerstelle angetroffen wurde, war für Außenstehende nicht zweifelsfrei erkennbar, wie lange sie sich dort bereits befand und ob sie zu dem Kreis der Personen gehörte, der für die Störung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich war. Ausweislich der Angaben des Einsatzleiters der Polizei gab es keinerlei sichere Anhaltspunkte dafür, dass man der Klägerin und ihrem Begleiter Straftaten hätte nachweisen können. Beide hielten sich indes in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang zu vorher dort verübten Straftaten und während der noch anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit für einen Zeitraum von zumindest zehn Minuten an der Feuerstelle auf. Zudem hatte die Klägerin, ebenso wie ihr Begleiter, eine Bierflasche in der Hand, also einen Gegenstand, wie er vorher mehrfach nach Polizeibeamten geworfen worden war. Es waren auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine Distanzierung der Klägerin von der bereits seit mehreren Stunden anhaltenden Störung der öffentlichen Sicherheit hätten schließen lassen können. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizei aus dem Verhalten der Klägerin auf ihre Störereigenschaft geschlossen hat.

d) Die Personenfeststellung war zur Gefahrenabwehr geeignet. Der potentielle Störer wird durch die Feststellung seiner Personalien aus der Anonymität gerissen und weiß, dass er fortan für jede weitere ihm zuzurechnende Störung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 - 21 B 90.1066 - BayVBl 1993, 429). Die Personenfeststellung ist daher ein geeignetes Mittel, potentielle Störer von der Begehung weiterer Störungen abzuhalten.

Hier ging es darum, das weitere Unterhalten des Feuers und das etwaige Entzünden weiterer Feuer sowie die befürchtete Störung der Löscharbeiten durch weitere Ausschreitungen - etwa Flaschenwürfe - zu unterbinden. Es liegt nahe, dass derartige Störungen eher aus der Anonymität heraus verübt werden und dass ein potentieller Störer, dessen Personalien festgestellt sind, sich weiterer Störungen, die ihn dann dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen, eher enthalten wird.

e) Die Personenfeststellung war auch erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine bloße Gefährderansprache oder ein auf die polizeiliche Generalklausel gestützter Platzverweis (gesetzlich normiert wurde der Platzverweis erst in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.11.2008 eingefügten § 27 a Abs. 1 PolG) kein gleichermaßen geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung gewesen. Zwar wäre ein isolierter Platzverweis möglicherweise zur Räumung der Feuerstelle ebenso geeignet gewesen, doch hätte dann die ex ante in nicht zu beanstandender Weise prognostizierte Gefahr bestanden, dass die des Platzes Verwiesenen sich in die umliegenden Straßen begeben, in denen sich noch Gäste des Straßenfestes und voraussichtlich auch zahlreiche der Personen aufhielten, die sich zuvor um das Feuer aufgehalten und die Störungen der öffentlichen Sicherheit verursacht hatten, und dort Verbündete für eine Rückkehr an den Ort des Feuers zu suchen und zu finden, so dass es dann zu einer in jedem Fall zu vermeidenden Konfrontation mit den inzwischen vor Ort tätigen Polizeibeamten hätte kommen können. Bei einem isolierten, nicht mit einer Personenfeststellung einhergehenden Platzverweis wäre den des Platzes Verwiesenen weiterhin ein Handeln aus der Anonymität heraus möglich gewesen, was eine zugleich effektive und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung wiederum erschwert hätte.

f) Angesichts des mit der bloßen Personenfeststellung verbundenen geringfügigen Eingriffs in die Rechtssphäre des Betroffenen (vgl. Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 11; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 328; Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 375) war diese Maßnahme schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.

2. Die auf die § 26 Abs. 2 Satz 3 PolG gestützte Sistierung zum Zweck der Personenfeststellung war demgegenüber rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift, die vorliegend in der Fassung vom 01.07.2004 anzuwenden ist, kann der Betroffene festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift erlaubt die sog. Sistierung, die eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 GG darstellt, etwa dann, wenn die Personenfeststellung an Ort und Stelle unangemessen oder unmöglich ist, weil der Betroffene sich strikt weigert, das Publikum aufgebracht ist oder eine unfriedliche Menge die Beamten behindert oder bedroht (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; ähnlich Belz/Mußmann, a.a.O., § 26 Rn. 29). Die Voraussetzungen („nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten“) decken sich mit denen des § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Übermaßverbotes dar und sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur in Fällen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist (vgl. BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - NVwZ 1992, 767 m.w.N. und Beschl. v. 11.07.2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, 381). Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Freiheitsbeschränkungen zur Identitätsfeststellung für alle Maßnahmen, die über das bloße Anhalten und die Aufforderung, sich auszuweisen, hinausgehen, dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdungslage gegeben sein müssen (Degenhart in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 104 Rn. 17).

Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben über eine Person, die es ermöglichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschließen. Die Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes genügt in jedem Fall, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten wie etwa der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes vorliegen (vgl. Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rn. 373; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 26 Rn. 26; KK-Griesbaum, StPO, 6. Aufl., § 163 b Rn. 13 m.w.N.; BVerfG , Beschl. v. 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 - a.a.O.). Ein Datenabgleich mit polizeilichen Dateien, wie er hier auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde, ist danach regelmäßig nicht Bestandteil der Personenfeststellung nach § 26 PolG, sondern ein sich an die Personenfeststellung anschließender selbstständiger Folgeeingriff, der nach Maßgabe des § 39 PolG zulässig ist.

Daran gemessen folgt hier die Rechtswidrigkeit der Sistierung schon daraus, dass die Personenfeststellung bereits am Ort des Geschehens erfolgt war. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten auf entsprechende Aufforderung ihren gültigen Personalausweis ausgehändigt. Konkrete Anhaltspunkte für dessen Fälschung, Verfälschung oder sonstige Unstimmigkeiten lagen nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeuge vernommene Polizeikommissar S. hatte nach Vorlage des Ausweises keine Zweifel an der Identität der Klägerin. Die Identität der Klägerin war folglich durch ihren Personalausweis zweifelsfrei belegt. Ein Datenabgleich zum Zweck der Identitätsfeststellung war bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Ob die Voraussetzungen für einen selbstständigen Datenabgleich nach § 39 PolG vorgelegen haben, kann der Senat offen lassen, weil allein zum Zweck des Datenabgleichs eine Sistierung in jedem Fall unzulässig ist. § 39 Abs. 1 Satz 4 PolG räumt der Polizei nur die Befugnis ein, den Betroffenen für die Dauer des Datenabgleichs anzuhalten. Ein Sistierungsrecht hat die Polizei nach § 39 PolG nicht.

Selbst wenn man unterstellt, die Identität der Klägerin hätte aufgrund der Vorlage des Personalausweises nicht zweifelsfrei festgestanden oder es hätten andere Unstimmigkeiten vorgelegen, hätte die Überprüfung der Identität der Klägerin am Einsatzort erfolgen können.

Ein zum Zweck der Identitätsfeststellung erforderlicher Datenabgleich wäre auch über Funk vom Polizeifahrzeug aus möglich gewesen. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die mit der Personenfeststellung der Klägerin befassten Beamten ein Einsatzfahrzeug mit sich führten, welches sie in 10 bis 20 m Entfernung von der Feuerstelle in der Wilhelmstraße abgestellt hatten. Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur vier Personenfeststellungen erfolgten, wäre auch der Zeitaufwand bei einer Feststellung vor Ort nicht unvertretbar lang gewesen.

Störungen durch Dritte standen dem Datenabgleich über Funk vor Ort ebenfalls nicht entgegen. Die Polizeibeamten hatten den Personalausweis der Klägerin bereits mehrere Minuten in ihrem Gewahrsam, ohne dass es zu Störungen gekommen wäre. Solche Störungen wurden lediglich vor dem Hintergrund von Erfahrungen aus dem Vorjahr befürchtet, ohne dass indes aktuell eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Ein Datenabgleich vor Ort wurde auch nicht durch den anhaltenden Einsatz der Polizeikräfte unmöglich gemacht. Die Beamten, die die Klägerin und die weiteren Betroffenen auf das Polizeirevier brachten, waren infolgedessen ohnehin am Einsatz vor Ort nicht mehr beteiligt. Sie hätten ohne weiteres - etwa abseits der Feuerstelle am Einsatzfahrzeug - den Datenabgleich durchführen können. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Betroffenen zu Fuß und nicht etwa in einem Polizeifahrzeug auf die Dienststelle gebracht wurden, dagegen, dass erhebliche Störungen tatsächlich erwartet wurden.

Soweit der Beklagte sich zur Rechtfertigung der Sistierung nicht auf eine mögliche Eskalation der Situation vor Ort durch die Solidarisierung Dritter mit den von den polizeilichen Maßnahmen Betroffenen, sondern auf das Ziel, die Feuerstelle zu räumen sowie Lösch- und Aufräumarbeiten zu ermöglichen, beruft, muss er sich entgegenhalten lassen, dass im Verhältnis zu der die Freiheit der Person einschränkenden Sistierung der Platzverweis auf jeden Fall das mildere Mittel ist. Ein - mit einer Personenfeststellung vor Ort einhergehender - Platzverweis wäre auch in gleicher Weise geeignet gewesen, die Störung zu beseitigen. Auch bei der gewählten Vorgehensweise – Räumung der Feuerstelle durch Sistierung der dort angetroffenen Personen - waren angesichts der insgesamt unübersichtlichen Lage weiterhin für die Dauer der Löscharbeiten Polizeikräfte am Ort der Störung gebunden; es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Räumung der Feuerstelle durch Erteilung von Platzverweisen und Personenfeststellungen vor Ort Polizeikräfte in größerer Zahl hätten eingesetzt werden müssen oder der Einsatz sich aus anderen Gründen signifikant schwieriger gestaltet hätte. Die Sistierung war daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Kommentar

Der VGH geht zwar bedenklicherweise davon aus, dass es ausreicht, sich in "engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang" zu Störungen aufzuhalten, um als Anscheinsstörerin zu gelten, und dass dies die polizeiliche Maßnahme der Identitätsfeststellung rechtfertigt. Allerdings hält er erfreulicherweise eindeutig fest, dass dazu keine Mitnahme zum Polizirevier zulässig ist und unterscheidet konstruktiv zwischen Identitätsfeststellung und Datenabgleich.