Titel

OVG Magdeburg, Beschluss vom 18.04.2020, Az. 3 M 60/20


Demonstration "Halle-gegen-Rechts - Bündnis für Zivilcourage" - kein polizeilicher Notstand

 


Zitiervorschlag: OVG Magdeburg, Beschluss vom 18.04.2020, Az. 3 M 60/20, zitiert nach POR-RAV


Teaser

1. Schutzmaskentragen ist kein strafbarer Verstoß gegen das vereinsrechtliche Vermummungsverbot (!)

2. Erwartetes schönes Wetter trägt ein Versammlungsverbot nicht - auch wenn mehr Teilnehmer*innen kommen sollten als erwartet

3. Auftauchende Rechtsextremisten wären von der Polizei als Störer zu entfernen

Leitsatz

1. Bei Versammlungsbeschränkungen durch Allgemeinverfügung hat die Behörde eine sorgfältige Ermessensentscheidung zu treffen.

2. Spekulationen über polizeilichen Notstand ohne detaillierte Darlegung zu den polizeilichen Einsatzkräften sind rechtsfehlerhaft.

3. Eine Demonstration zu Unterbringungsbedingungen der Asylbewerber in der Zentralen Aufnahmestelle für Geflüchtete kann durch einstweilige Anordnung zugelassen werden - der Veranstalter muss diese wg. Corona nicht verschieben.

Volltext

TENOR

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle- 5. Kammer- vom 17. April 2020 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000.00 € festgesetzt.

GRÜNDE

1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle- 5. Kammer- vom 17. April 2020, deren Prüfung gemäߧ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Grande beschränkt ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag gemäߧ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 16. April2020 gegen das von der Antragsgegnerin am selben Tag für sofort vollziehbar erklärte Verbot der Durchführung einer vom Antragsteller am 18. April 2020 in der Zeit von 15.00 bis 16.00 Uhr geplanten Versammlung unter freiem Himmel zu Recht entsprochen.

Die hiergegen erhobenen Einwände der Antragsgegnerin rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Antragsgegnerin hat das mit Bescheid vom 16. April 2020 ausgesprochene Versammlungsverbot rechtlich unzutreffend auf § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 der Dritten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (Dritte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 3. SARS-CoV-2-EindV) vom 2. April 2020 (GVBI. LSA S. 1463) gestützt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV dürfen öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen, Aufzüge, Zusammenkünfte und Ansammlungen mit mehr als zwei Personen nicht stattfinden.

Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV können abweichend von Abs. 1 Satz 1 Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen oder Aufzüge unter freiem Himmel nach Durchführung einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die zuständige Versammlungsbehörde - hier die Antragsgegnerin - unter Beteiligung des zuständigen Gesundheitsamtes zugelassen werden. Aus den vorgenannten Regelungen der auf der Grundlage der §§ 32 Satz 1, 54 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (lnfektionsschutzgesetz - lfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBI. r S. 1 045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. März 2020 (BGBI. I S. 587), erlassenen 3. SARS-CoV-2-EindV folgt unmissverständlich, dass Versammlungen wie die vom Antragsteller geplante bereits kraft (materiellen) Gesetzes nicht stattfinden dürfen und nur im Einzelfall behördlich nach einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung zugelassen werden können. Ungeachtet der vom Antragsteiler angezweifelten und vom Verwaltungsgericht offen gelassenen Frage der Vereinbarkeit eines solchen (materiell-)gesetzlichen Verbots, von dem nur aufgrund behördlicher Gestattung abgewichen werden darf, mit höherrangigem Recht ist nach der Systematik des§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV folglich kein Raum für ein behördliches Verbot einer Versammlung· unter freiem Himmel mit mehr als zwei Personen.

Vielmehr hat die zuständige Behörde (ausschließlich) darüber zu entscheiden, ob eine solche Versammlung abweichend von dem grundsätzlichen Verbot aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zuzulassen ist, ggf. unter Auflagen, die über die Bestimmungen in § 1 Abs. 4 der 3. SARS-CoV-2-EindV hinausgehen (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 der 3. SARSCoV-2-EindV).

Es bedarf hier keiner weiteren Erörterung, ob und inwieweit während der gemäß § 22 Abs. 2 der 3. SARS-CoV-2-EindV auf die Zeit bis zum Ablauf des 19. April 2020 begrenzten Geltungsdauer der 3. SARS-CoV-2-EindV ein Rückgriff auf die Regelungen des VersammlG LSA zulässig ist bzw. in welchem Verhältnis die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV zu den Vorschriften des VersammlG stehen. Die Antragsgegnerin hat ihre Verbotsverfügung vom 16. April 2020 jedenfalls nicht auf die Bestimmungen des VersammlG LSA - insbesondere dessen § 13 Abs. gestützt, wonach die zuständige Behörde eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug von bestimmten Beschränkungen abhängig machen oder verbieten kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Die Zulässigkeit eines Austauschs der Rechtsgrundlagen (vgl. hierzu allgemein BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 12.81 - juris Rn. 12 m.w.N.) im Hinblick auf die auch für Versammlungsverbote nach § 13 Abs. 1 VersammlG LSA gegebene Zuständigkeit der Antragsgegnerin drängt sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich - und hier besonders, da die streitige Versammlung bereits in wenigen Stunden stattfinden soll - nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht auf. Das VersammlG LSA verfolgt eine andere Regelungssystematik als § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 der 3. SARS·CoV-2-EindV. Ein grundsätzliches Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel ist dort anders als nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 3. SARS·CoV-2-EindV gerade nicht vorgesehen. Vielmehr ist die Beschränkung oder Untersagung nur unter den in § 13 Abs. 1 und 2 VersammlG LSA genannten Voraussetzungen zulässig, wobei der Versammlungsbehörde insoweit ein Ermessen eingeräumt ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV verhält sich dies umgekehrt.

Von dem grundsätzlichen Verbot können nach behördlichem Ermessen Ausnahmen - ggf. unter (zusätzlichen) Beschränkungen - zugelassen werden. Dies ist nicht an besondere tatbestandliche Voraussetzungen gebunden. Es findet vielmehr ausschließlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall statt. Diese unterschiedlichen Regelungsansätze bleiben nicht ohne Folgen für die jeweilige Ermessensausübung, bei der zudem im Hinblick auf die vorzunehmende Abwägung der unterschiedlichen Grundrechtspositionen Sinn und Zweck der jeweiligen behördlichen Ermächtigungsgrundlage zu berücksichtigen sind.

b) Auch die von der Antragsgegnerin erhobenen Einwände gegen die vom Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, dem Antragsteller eine Sondergenehmigung nach § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV18-2-EindV für die am heutigen Tag geplante Versammlung zu erteilen, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn die Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft zu machen. Wird mit einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Hauptsache ganz oder teilweise vorweggenommen und dadurch in aller Regel ein faktisch endgültiger Zustand geschaffen, kann eine Regelung nur ergehen, wenn der Antragsteller in der Hauptsache zumindest überwiegende Erfolgsaussichten hat und schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den rechtskräftigen Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen werden müsste. Überwiegende Aussichten in der Hauptsache bestehen hingegen nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch mit größter Wahrscheinlichkeit begründet ist und aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren bestätigt werden wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 23. April 2018 - 1 M 31/18- juris Rn. 2 m.w.N.).

ln Anlegung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zu Recht erlassen. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die mit dem rechtsfehlerhaft erlassenen Verbot zugleich - zumindest konkludent - verbundene Ablehnung der ausnahmsweisen Zulassung der vom Antragsteller geplanten Versammlung als rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.

Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Zulassung der von ihm geplanten Versammlung hat (vgl. § 113 Abs.·1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Bei der nach § 1 Abs. 5 Satz 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eine Abwägung zwischen den mit der Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel ggf. einhergehenden Gefährdungen existenzieller Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit, die ihrerseits grundrechtlichen Schutz durch Art. 2 Abs. 2 GG genießen, einerseits und andererseits dem durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unter hinreichender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Denn der Verordnungsgeber im Land Sachsen-Anhalt hat sich gerade nicht dafür entschieden, Versammlungen unter freiem Himmel ohne jede Möglichkeit der Zulassung von Ausnahmen zu untersagen. Vielmehr hat die zuständige Versammlungsbehörde der herausgehobenen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit für die freiheitliche Staatsordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2020 - 1 BvQ 29/20 18. Apr. 2020 - juris Rn. 7; ausführlich Beschluss vom 14. Mai 1985 -1 BvR 233/81 - juris Rn. 63 ff.) und dessen Tragweite angemessen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 2020 - 1 BvR 828/20- juris Rn. 13 f.), indem sie im konkreten Fall prüft, ob es der mit den Regelungen der 3. SARS-CoV-2-EindV verfolgte Zweck gebietet, die Versammlung trotz des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in Art. 8 Abs. 1 GG nicht oder nur unter zusätzlichen Auflagen zuzulassen.

Dieser Zweck besteht in dem ohne Weiteres nachvollziehbaren Ziel, nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse besonders vulnerable Personengruppen vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu schützen. Dem dient es, dafür Sorge zu tragen, dass die Infektionskurve deutlich abflacht. damit möglichst auch bei einer hohen Anzahl schwerer Krankheitsfälle stets genügend Intensivplätze zur Verfügung stehen und die gesundheitliche Versorgung weiterhin gesichert bleibt (vgl. S. 1 und 2 der Begründung zur 3. SARS-CoV-2-EindV, veröffentlicht unter https://ms. sachsen-anhalt.de/themen/gesundheit/aktuell/coronavirus/verordnungen-erlasse-und·empfehlungen/, aufgerufen am 18. April 2020). Den vorstehenden Anforderungen genügen die Erwägungen der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid und die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwände nicht.

Die Antragsgegnerin scheint bereits ihre Pflicht zur Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im konkreten Einzelfall zu verkennen. So führt sie in ihrem Bescheid aus, angesichts aktueller Entwicklungen und Erkenntnisse, insbesondere der stark zunehmenden Ausbreitung von SARS-CoV-2, sei nunmehr grundsätzlich auch in Fällen von Versammlungen mit mehr als zwei Personen davon auszugehen, dass keine Schutzmaßnahmen getroffen werden könnten, die gleich effektiv, aber weniger eingriffsintensiv seien als die Versammlung nicht durchzuführen (vgl. S. 5 des Bescheides, zweiter Absatz).

Dies ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend, sondern von der Antragsgegnerin unter hinreichender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter gleichzeitiger Würdigung der herausgehobenen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu prüfen. Zwar führt die Antragsgegnerin sodann aus, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung lasse keine anderen beschränkenden Maßnahmen als "ein Verbot der angemeldeten Versammlung" unter Einbeziehung der Einschätzung des zuständigen Gesundheitsamtes zu.

Die zugehörigen Erwägungen der Antragsgegnerin lassen jedoch die besonderen Umstände des vorliegenden Falls außer Betracht und tragen der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Antragstellers auf Versammlungsfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung darauf verweist, sowohl das Oberverwaltungsgericht Hamburg (Beschluss vom 16. April 2020, Az. 5 BS 58/20) als auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschluss vom 15. April 2020, Az. 1 S 1078/20) hätten Beschwerden gegen Versammlungsverbote zurückgewiesen, vermag sie aus diesen Entscheidungen für ihre gegenteilige Auffassung nichts herzuleiten. Denn wie die Antragsgegnerin selbst ausführt, haben die vorgenannten Obergerichte - und zwar ausschließlich - in einer Folgenabwägung das öffentliche Interesse am Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowie an der fortbestehenden Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gegenüber der Versammlungsfreiheit als höherrangig eingestuft.

Im vorliegenden Fall geht es aber um die Frage der Rechtmäßigkeit einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Heranziehung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Eine reine Folgenabwägung ist hiermit nicht vergleichbar. Der Antragsteller hat bereits in der ,,Anmeldung'' der Versammlung dargestellt, wie bei deren Durchführung dem Gesundheitsschutz Genüge getan bzw. Ansteckungsrisiken minimiert werden sollen. So hat er ein Abstandsgebot von 2 m zwischen den Versammlungsteilnehmern vorgesehen. Die Teilnehmer sollen in einer Anwesenheitsliste mit Namen, Adresse und Telefonnummer erfasst und Personen mit positivem COVID-19-Test, Aufenthalt im Ausland innerhalb der letzten 14 Tage oder bei Krankheitssymptomen ausgeschlossen werden. Über diese Maßnahmen werden die Teilnehmer mittels eines ihnen auszuhändigenden Hinweisblatts informiert. Dabei soll auch über die Husten- und Nieshygiene und die Verwendung eines Mund-Nasen-Schutzes, den die Teilnehmer selbst mitbringen oder der vom Veranstalter vorgehalten wird, unterrichtet werden.

Außerdem beabsichtigt der Antragsteller als Veranstalter, am Versammlungsort mit Kreide Bodenmarkierungen für die Teilnehmer anzubringen, um während der Kundgebung die Einhaltung des Abstandsgebots sicherzustellen. Für die Redebeiträge werde das Mikrofon jeweils mit einem Plastikschutz versehen, welcher anschließend durch den jeweiligen Redner entfernt werden soll, woraufhin das Mikrofon selbst jeweils desinfiziert werde. Mit diesen Schutzmaßnahmen knüpft der Antragsteller ersichtlich an die Auflagen an, die der Verordnungsgeber für die bereits durch ihn von den Verboten des § 1 Abs. 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV ausgenommenen Veranstaltungen, Ansammlungen und Zusammenkünften in § 1 Abs. 4 der 3. SARS-CoV-2-EindV als zwingend einzuhalten vorgesehen hat. Das in § 1 Abs. 4 Nr. 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV bestimmte Gebot der Einhaltung eines Mindestabstands zwischen den Teilnehmenden soll bei der Versammlung sogar verschärft zur Anwendung kommen, indem anstelle eines Abstands von 1,5 Metern zwischen den Versammlungsteilnehmern mindestens 2 Meter Abstand einzuhalten sind.

Soweit die Antragsgegnerin die Einhaltung der. vorgenannten Schutzmaßnahmen als nicht umsetzbar ansieht, vermögen die von ihr Insoweit angeführten Gründe nicht zu überzeugen. Ohne Erfolg meint die Antragsgegnerin, die vorgesehene Abstandseinhaltung könne beim Aufbau und aufgrund der Nutzung von gemeinsamen Versammlungsmitteln, bei Fertigen und Eintragen der Anwesenheitslisten, der Nutzung eines gemeinsamen Mikrofons oder bei dem An- und Ablegen sowie der Herausgabe der Sicherheitsausrüstung nicht mehr gewährleistet werden. Es mag zutreffen, dass in derartigen Situationen zumindest kurzfristig ein Abstand voneinander von 2 Metern tatsächlich nicht eingehalten ist. Die Antragsgegnerin lässt hierbei aber außer Acht, dass nach dem Schutzkonzept des Antragstellers sämtliche Versammlungsteilnehmer einschließlich der zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen eingesetzten Ordner mit einem Mund-Nasen- Schutz ausgestattet sein sollen. Gerade dieser Schutz ist jedenfalls dann, wenn der empfohlene Mindestabstand nicht durchgängig sicher eingehalten werden kann und alle Beteiligten diese nur als Fremdschutz dienenden Masken tragen, geeignet wirksam zu verhindern, dass sich das Virus in der Bevölkerung durch infizierte Personen ausbreitet (vgl. https:/www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html sowie das Epidemiologische Bulletin 19/2020 des Robert Koch-Instituts vom 14. April 2020: Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19. Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen (3. Update), veröffentlicht unter https:/www.rki.de/DE/Content/lnfekt/EpidBull/AktuelleAusgaben/aktuelleAusgaben_table.html: beides aufgerufen am 18. April 2020).

Soweit die Antragsgegnerin überdies die Einhaltung des Mindestabstandes auf dem Weg zum Versammlungsort und während der Abreise gefährdet sieht, vermag dies allein die Nichtzulassung der Versammlung in Anbetracht der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigenden Vielzahl verschiedener konkreter Umstände des Einzelfalls nicht zu rechtfertigen. Insoweit ist im Rahmen der Abwägung auch in Rechnung zu stellen, dass nach § 18 Abs. 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV jeder angehalten ist, die physischen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 Metern einzuhalten. Des Weiteren gestattet § 18 Abs. 2 der 3. SARS - CoV-2-EindV den Aufenthalt im öffentlichen Raum nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes. Ein Verstoß gegen die letztgenannte Bestimmung ist bußgeldbewehrt (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 11 der 3. SARS-CoV-2·EindV).

Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die von den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden zu überwachende Einhaltung dieser Kontaktbeschränkungen, welche auch etwaige Versammlungsteilnehmer sowohl bei der Anreise zum Versammlungsort als auch bei dessen Verlassen treffen, bei konsequenter Handhabung keinen hinreichenden Schutz vor bestehenden Ansteckungs- bzw. Verbreitungsrisiken außerhalb der konkreten Versammlung bieten. Würde man der Argumentation der Antragsgegnerin folgen, würde allein hierüber jeder Versammlung der hier geplanten Art die Zulassung versagt werden müssen, da ein Veranstalter im Regelfall keinen oder nur einen räumlich begrenzten Einfluss auf die Gestaltung der An- und Abreise der Teilnehmer haben wird. Die 3. SARS-CoV·2-EindV erfordert aber - wie ausgeführt - eine alle Umstände des Einzelfalls in den Blick nehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Einen gerade auch in Anbetracht der besonderen Bedeutung der Versammlungsfreiheit ersichtlich zu strengen Maßstab stellt es dar, wenn die Antragsgegnerin vom Antragsteller im Hinblick den beabsichtigten Ausschluss von Teilnehmern mit Symptomen einer COVfD - 19 - Erkrankung oder jeglichen Erkältungssymptomen fordert, er müsse zur „absoluten Umsetzung dieser Auflage'' potentielle „Ausscheider" bereits im Vorfeld der Versammlung von dieser fernhalten, um ein Infektionsrisiko für die Allgemeinheit auszuschließen.

Die Antragsgegnerin meint, dies sei nicht umsetzbar, da bei einer Versammlung unter freiem Himmel theoretisch mit einer unbegrenzten Anzahl von Versammlungsteilnehmern gerechnet werden müsse und auszuschließende Teilnahmeinteressenten sich bereits in der Öffentlichkeit aufhielten, bevor bei ihnen überhaupt entsprechende Symptome festgestellt werden könnten. Bei dieser Sichtweise ist nahezu für sämtliche Versammlungen unter freiem Himmel kein Raum, was indes dem Willen des Verordnungsgebers entgegensteht. Es ist schlechthin nicht möglich auszuschließen, dass sich Personen. die an sich aufgrund entsprechender Krankheitssymptome nicht zu der Versammlung zuzulassen sind, zunächst in die Öffentlichkeit begeben, um etwa zum Ort der geplanten Versammlung zu gelangen. Das Auftreten solcher Personen in der Öffentlichkeit kann aber auch sonst, also unabhängig vom Stattfinden einer Versammlung, nicht in Gänze verhindert werden, es sei denn, die betreffenden Personen sind bereits durch behördliche Anordnung oder aus eigener Initiative unter häusliche Quarantäne gestellt.

Bei den nach § 1 Abs. 4 der 3. SARS-CoV-2-EindV zwingend einzuhaltenden Schutzmaßnahmen geht es darum, den Kontakt zwischen infizierten und gesunden Personen weitgehend zu vermeiden. um eine Verbreitung des Virus einzudämmen. Dieser Zweck wird durch den Antragsteller dadurch ausreichend gewahrt. wenn er den Zugang zu der Versammlung so wie beabsichtigt kontrolliert. Auch hier kommt dem vorgesehenen Tragen von Schutzmasken der Teilnehmer einschließlich der Ordner. die den Zugang weiterer Teilnehmer kontrollieren sollen, eine entscheidende Bedeutung zu.

Dem vermag die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, beim Tragen des Mund-Nasen-Schutzes bestehe ein Konflikt zum Vermummungsverbot gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 2 VersammlG LSA. Nach dieser Norm macht sich strafbar, wer entgegen § 15 Abs. 2 Nr. 1 VersammlG LSA an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilnimmt oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurücklegt. Das hier in Rede stehende Tragen des Mund-Nasen-Schutzes zur Vermeidung einer Ansteckung gesunder Personen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 fällt ersichtlich nicht hierunter. Wie die Antragsgegnerin selbst zugesteht, ist das Tragen dieser Masken erkennbar als Schutzmaßnahme gedacht und nicht zur Verschleierung der Identität zu verstehen, um möglichst unerkannt Straftaten zu begehen. Es ist auch nicht ansatzweise vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass Anhaltspunkte dafür gegeben sind, potentielle Versammlungsteilnehmer könnten sich das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes zunutze machen, um anlässlich der Versammlung strafbare Handlungen vorzunehmen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass bei einer voraussichtlichen Teilnehmerzahl zwischen 30 und 50 und der Einhaltung des Abstandsgebotes von 2 Metern während der Kundgebung ohne Weiteres möglich sein dürfte, eventuelle Störer in der Versammlung trotz Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes auszumachen und durch entsprechende polizeiliche Maßnahmen gegen diese Personen zu ergreifen. Gegenteiliges macht die Antragsgegnerin jedenfalls nicht geltend. Letztlich führte die Auffassung der Antragsgegnerin dazu, dass es praktisch kaum möglich wäre, geeignete Maßnahmen zur erheblichen Reduzierung der Ansteckungsgefahr zu finden, um dem Grundrecht aus des Art. 8 Abs. 1 GG in der gegenwärtigen Situation Geltung zu verschaffen.

Fehl geht auch der Einwand der Antragsgegnerin, selbst wenn - wie hier - die Versammlung nicht öffentlich beworben werde, sei davon auszugehen, dass innerhalb kurzer Zeit, nicht zuletzt aufgrund der Verwendung sozialer Medien, öffentlich bekannt werde, dass eine Versammlung auf dem Marktplatz stattfinde. Die Antragsgegnerin beruft sich insoweit auf das besondere öffentliche Interesse an der Thematik der geplanten Versammlung.

Sie führt zudem an, das Bündnis ,,Halle gegen Rechts - Bündnis für Zivilcourage", für welches der Antragsteller als Veranstalter der Versammlung auftritt, habe einen großen Zulauf in der Öffentlichkeit. Beispielhaft benennt die Antragsgegnerin eine zurückliegende Versammlung vom 20. Juli 2019, bei der keine konkreten Angaben zur Zahl der Teilnehmer hätten gemacht werden können und es am Ende mehr als 2.000 Teilnehmer gewesen seien. Dieses Vorbringen verfängt ebenso wenig wie die nicht weiter belegte Behauptung der Antragsgegnerin, auch bei anderen Veranstaltungen des Antragstellers hätten sich die Teilnehmerzahlen „sehr dynamisch“ entwickelt. So ist bereits nicht erkennbar oder vorgetragen, dass die von der Antragsgegnerin angeführten früheren Veranstaltungen des Antragstellers wie die hier im Streit stehende Versammlung nicht medial beworben worden sind. Zweifelhaft ist Eignung der früheren Veranstaltungen als Vergleichsmaßstab für die Prognose der Entwicklung der vom Antragsteller mit 30 bis 50 benannten Teilnehmerzahlen. ln der Zeit der früheren Veranstaltungen waren keine derartigen generellen Kontaktbeschränkungen in Kraft, wie es gegenwärtig aufgrund einer außergewöhnlichen Sondersituation, als welche sich eine Pandemie darstellt, der Fall ist.

Dessen ungeachtet ist weder von der Antragsgegnerin substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass und weshalb es nicht möglich sein soll, die Teilnahme weiterer Interessenten durch den Antragsteller als Veranstalter zu beschränken bzw. auszuschließen, falls sich die Zahl der Teilnehmer auf ein Niveau zubewegt, bei dem die Einhaltung der vom Antragsteller vorgesehenen Schutzmaßnahmen, insbesondere des Abstandsgebots und der Schutzmaskentragepflicht, nicht mehr zuverlässig gewährleistet ist. Alternativ sind die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden gehalten, die Versammlung aufzulösen, falls der Antragsteller die infolge eines plötzlichen erheblichen Zuwachses der Versammlungsteilnehmer eintretende Situation erkennbar nicht dergestalt unter Kontrolle bekommt, dass die Ansteckung gesunder Personen mit dem Virus zu befürchten ist.

Außerdem ist zu bedenken, dass die Versammlung selbst nur eine Stunde dauern soll. Es ist - auch in Ansehung der derzeit geltenden grundsätzlichen Kontaktverbote - nicht ohne Weiteres greifbar, dass sich der von der Antragsgegnerin skizzierte Effekt einer „rasend schnellen“ Verbreitung der lnformation, dass gerade eine Versammlung mit dem genannten Thema auf dem Markt in Halle (Saale) stattfindet, in einer Weise entfaltet, die mit nahezu unkontrollierbaren Personenbewegungen in der Öffentlichkeit einhergeht.

Die Verhältnismäßigkeit des über die vom Antragsteller angebotenen Schutzmaßnahmen hinausgehend von der Antragsgegnerin als zwingend erforderlich angesehenen lnteraktionsverbotes begegnet ebenfalls erheblichen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin meint, aufgrund der geplanten Verwendung einer mobilen Box mit Mikrofon, von Fahnen, Transparenten und Schildern mit dem Ziel der Erreichung einer mediaten Aufmerksamkeit müsse - gerade auch in Ansehung der Versammlungszeit (Samstagnachmittag) und des Versammlungsortes (Marktplatz) - davon ausgegangen werden, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Versammlung gezogen werde, was wiederum zu einer „nicht gewollten" Interaktion mit Passanten führe, wodurch die Einhaltung des Abstandsgebotes schwer durchsetzbar sei. Die Antragsgegnerin verkennt insoweit, dass wesentliches Element der Ausübung der Versammlungsfreiheit gerade auch das gemeinsame Sichtbar- bzw. Hörbachmachen von Überzeugungen für Außenstehende ist (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 63). Wollte man eine Interaktion jeder Art verhindern,, würde man der Versammlung einen nicht nur untergeordneten Teil ihres Zwecks nehmen.

Es ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich. dass die von der Antragsgegnerin befürchtete Interaktion mit Passanten zu einer nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen, die durch die Ordner der Versammlung oder Polizeikräfte ergriffen werden könnten, eindämmbaren Verstärkung der Ansteckungsgefahr führen könnte. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung, bei dem Marktplatz in Halle (Saale) handele es sich um einen zentralen Verkehrsknotenpunkt mit einer Vielzahl von Zu- und Abfahrten der Straßenbahn und einen Platz zentraler Kommunikation (der u.a. regelmäßig für Versammlungen genutzt werde, wobei aufgrund der sehr guten Anbindung und Lage ein schnelles Anwachsen der Teilnehmerzahlen begünstigt werde).

Ebenso wenig zwingt zu einem gegenteiligen Schluss der Hinweis der Antragsgegnerin, das am Tag der Versammlung zu erwartende „frühsommerliche Wetter" würden viele Anwohner zu einem Spaziergang nutzen, wodurch es auch wahrscheinlich sei, dass aufgrund einer stattfindenden Versammlung viele Personen aus Neugier auch außerhalb des Versammlungsraumes konzentriert auf engsten Raum zusammenstehen, zumal es sich bei einer Versammlung um eine "willkommene Abwechslung im doch recht eintönigen Corona-AIItag" handele. Die Antragsgegnerin berücksichtigt mit diesem Vorbringen nicht hinreichend die Bedeutung und Tragweite des Versammlungsgrundrechts, auf das der Antragsteller sich im Gegensatz zu den von der Antragsgegnerin angeführten, zufällig und ohne erkennbar gemeinsamen Willen zur Meinungsbildung und -äußerung in der Nähe ggf. stehenbleibenden Passanten berufen kann. Insoweit ist zu bedenken, dass derartige zufällige Zusammenkünfte und Ansammlungen nach den Regelungen der 3. SARS-CoV-2-EindV verboten sind (vgl. § 1 Abs. 1 der 3. SARS - CoV-2-EindV) und insoweit zusätzlich die vorübergehenden Kontaktbeschränkungen nach § 18 Abs. 1 und 2 der 3. SARS-CoV·2-EindV zu beachten sind.

Dass es vor diesem Hintergrund allein in Anbetracht des von der Antragsgegnerin angeführten schönen Wetters zu massenhaften Regelverstößen und als deren Folge zu gänzlich unkontrollierbaren Menschenbewegungen im öffentlichen Raum kommt, ist reine Spekulation. Derartige nicht weiter belegte Mutmaßungen sind nicht geeignet. die von der Antragsgegnerin vorzunehmende Abwägung der - tatsächlich - miteinander in Konflikt geratenden schützenswerten Grundrechtsgüter aus Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG zu Lasten der Versammlungsfreiheit ausfallen zu lassen. Es ist vielmehr Aufgabe der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, die Einhaltung sämtlicher Regelungen der 3. SARS-CoV-2-EindV, insbesondere der vorobergehenden Kontaktbeschränkungen, zu überwachen und ggf. durch entsprechende Maßnahmen gegenüber denjenigen, die den Regelungen zuwiderhandeln, durchzusetzen.

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf etwaige Störer außerhalb der Versammlung. Die von der Antragsgegnerin erhobene Einwand, es sei zu befürchten, dass eine namentlich benannte, als Rechtsextremist eingestufte Person auf dem Marktplatz erscheinen werde, um Störungen bzw. eine Gegenversammlung durchzuführen, greift nicht Platz. Die Antragsgegnerin führt in der Beschwerdebegründung für ihre Einschätzung mehrere in der - teilweise über vier Jahre - zurückliegenden Vergangenheit durchgeführte Veranstaltungen (zuletzt am 11. Oktober 2019) des Antragstellers oder des Bündnisses an, bei denen es zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern der Veranstaltung des Antragstellers bzw. des Bündnisses und (konkurrierende) Gegenversammlungen der benannten Person gekommen sei, die regelmäßig ein polizeiliches Eingreifen erforderlich gemacht hätten.

Das Beschwerdevorbringen lässt schon keinen konkreten Zusammenhang zu der hier in Rede stehenden Versammlung erkennen. Es berücksichtigt ferner wiederum nicht die Besonderheit der gegenwärtigen Alltagssituation, die durch sehr starke Beschränkungen der Kontakte zwischen Personen geprägt ist. Vor allem aber lässt die Antragsgegnerin außer Betracht, dass Gegendemonstrationen nach der aktuell geltenden Rechtslage nach Maßgabe des § 1· Abs. 1 Satz 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV verboten sind. Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass am fraglichen Tag, insbesondere auf dem Markt in Halle (Saale) oder in dessen Nähe eine konkurrierende Versammlung nach§ 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV zugelassen worden wäre. Dies hat aber zur Folge, dass die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden gegen nicht genehmigte und damit verbotene Gegenveranstaltungen vorgehen müssten, um die vom Grundrecht des Art. 8 Abs. 1 GG durch eine zu erteilende Genehmigung gestattete Versammlung des Antragstellers zu schützen.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Störungen der öffentlichen Sicherheit aufgrund des Verhaltens Dritter, insbesondere Gegendemonstranten, während sich Veranstalter und Versammlungsteilnehmer überwiegend friedlich verhalten, primär mit behördlichen Maßnahmen gegen die Störer zu begegnen. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen, eng auszulegenden Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 11. September 2015 - 1 BvR 2211/15 - juris). Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bewertung der Kräftelage, die ihrer Auffassung nach die Geltendmachung eines polizeilichen Notstands rechtfertigt und damit der Versammlung entgegengehalten werden kann, lässt sich weder hinreichend überprüfen noch liegt für den Senat auf der Hand, dass weitere Polizeikräfte, d. h. solche über die Landesbereitschaftspolizei hinaus nicht verfügbar sind bzw. in Dienst gesetzt werden könnten.

Die Berufung auf den polizeilichen Notstand setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit andernfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, ggf. externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre. Keinesfalls darf der Nichtstörer einem Störer gleichgestellt und die Auswahl des Adressaten der versammlungsrechtlichen Verfügung von bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen abhängig gemacht werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes liegt wiederum bei der Behörde. Eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht nicht (zum Ganzen: vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. September 2015, a.a.O. Rn. 3; vom 20. Dezember 2012- 1 BvR 2794.10- juris Rn. 17 und vom 26. Juni 2007- 1 BvR 1418.07- juris Rn. 15 f.).

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass sämtliche Einheiten der Landesbereitschaftspolizei an der Zentralen Anlaufstelle Halberstadt gebunden seien und nicht zur Verfügung stünden. Gleiches gelte für landesfremde Polizeikräfte aufgrund der bundesweiten Einsatzlage wegen der Corona-Pandemie. Für die Maßnahmen des Versammlungsschutzes und Raumschutzes verbunden mit entsprechenden Aufklärungsmaßnahmen veranschlagt sie einen Kräfteeinsatz von mindestens zwei Einsatzzügen, wobei ihr im relevanten Zeitraum lediglich zehn vollwertige Einsatzbeamte zur Verfügung stünden. Zwar seien ihr in der Ausbildung befindliche Beamte unterstellt, diese seien jedoch nach den Vorgaben des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt im gesamten Zuständigkeitsbereich zum Einsatz zu bringen.

Mit diesem pauschalen Vorbringen wird die Antragsgegnerin den bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht gerecht. Die Darstellung der Kräftelage lässt bereits vermissen, in welcher Anzahl die Einsatzkräfte der Landesbereitschaftspolizei an der Zentralen Anlaufstelle Halberstadt gebunden sind und welcher konkrete Bedarf allein dort besteht. Dies ist jedoch Voraussetzung, um die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bewertung überprüfen zu können. Es obliegt der Antragsgegnerin, die zeitliche und räumliche Bandbreite der von ihr zu erfüllenden Sicherheitsaufgaben aufzuzeigen und nachvollziehbar zu erläutern, dass alle verfügbaren Kräfte gebunden sind. Abgesehen davon ist bekannt, dass die in die Polizeiinspektion Zentrale Dienste Sachsen-Anhalt eingegliederte Landesbereitschaftspolizei über zwei Einsatzhundertschaften, eine Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft sowie eine technische Einsatzeinheit verfügt. Ausgehend von jedenfalls zwei Einsatzhundertschaften mit einer jeweiligen Stärke von ca. 120 Kräften ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass das Personalkontingent vollständig erschöpft sein könnte. Im Übrigen enthält sich die Antragsgegnerin dazu, inwieweit Polizeikräfte ihrer Revierdienste dienstlich gebunden sind und inwieweit überhaupt Anstrengungen unternommen wurden, Polizeikräfte aus den übrigen Polizeiinspektionen des Landes Sachsen-Anhalt (Stendal, Magdeburg, Dessau-Roßlau) zu binden. Der Senat wird durch die Ausführungen der Antragsgegnerin nicht in die Lage· versetzt, die Bewertung der Kräftelage zu überprüfen.

Schließlich vermag dem Umstand keine rechtliche Bedeutung beigemessen zu werden, dass die Zulassung der Versammlung des Antragstellers eine Vorbildwirkung für andere Veranstalter zeitigen könnte, die in naher Zukunft dann ebenfalls Versammlungen durchführen wollen. Dadurch wird der vom Verordnungsgeber mit den Regelungen der 3. SARS-CoV-2-EindV verfolgten Zweck nicht konterkariert. Wie bereits ausgeführt, hat der Verordnungsgeber in § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV selbst die Möglichkeit der Zulassung von Versammlungen nach Durchführung einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgesehen. Da hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls hinreichend zu berücksichtigen sind, können andere potentielle Veranstalter aus der Zulassung der Versammlung, die der Antragsteller geplant hat, nicht zwangsläufig darauf schließen oder gar unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG beanspruchen, dass auch ihre Versammlungen trotz des grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 3. SARS-CoV-2-EindV bestehenden Verbots zugelassen werden.

Es ist auch nicht rechtlich zu erinnern, dass das Verwaltungsgericht trotz des der Antragsgegnerin durch § 1 Abs. 5 der 3. SARS-CoV-2-EindV grundsätzlich eingeräumten Ermessens von einem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Sondergenehmigung für die geplante Versammlung ausgegangen ist. Es ist bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung ausgehend von den vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich, unter welchem noch nicht erörterten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt die Nichtzulassung der Versammlung des Antragstellers im konkreten Fall ermessensfehlerfrei sein könnte. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass die Stadt Halle (Saale) den ursprünglich ausgerufenen Katastrophenfall aufgrund der Entwicklung der Infektionszahlen zwischenzeitlich wieder aufgehoben hat. Außerdem ist der Verordnungsgeber nunmehr - offenbar in Wahrnehmung der ihn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit treffenden Pflicht zur ständigen Beobachtung der epidemischen Lage und Anpassung der entsprechenden Risikoeinschätzungen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. April 2020 • 1 BvQ 31/20- juris Rn. 16) • dazu übergegangen, erste Lockerungsmaßnahmen im Hinblick auf die Gestaltung der Öffnung kleinerer Geschäfte vorzusehen (vgl. § 7 Abs. 1 der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARSCoV-2 in Sachsen-Anhalt, Vierte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 4. SARSCoV-2-EindV, vom 16. April 2020, die nach §·24 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV am 20. April 2020 in Kraft treten wird).

Es ist nicht ersichtlich, weshalb die dahinterstehenden Einschätzungen nicht auch in die Verhältnismäßigkeitsprüfung bezüglich der hier streitigen Zulassung der zwei Tage vor Inkrafttreten dieser Verordnung geplanten Versammlung einfließen sollen. Vor diesem Hintergrund geht auch der Verweis der Antragsgegnerin auf den Höchststand der Fallzahlen in der Stadt Halle (Saale) mit Stand vom 17. April 2020 (274 Erkrankte) fehl.

Insbesondere ist der Antragsteller nicht zumutbar auf einen späteren Zeitpunkt für die Durchführung der Versammlung zu verweisen. Zwar lässt allein das Thema der Versammlung „Menschenrechte gelten für alle: ZASt Halberstadt schließen“ nicht ohne Weiteres erkennen, weshalb die Versammlung keinen zeitlichen Aufschub duldet. Es ist aber bei Betrachtung der derzeitigen Aktivitäten des Bündnisses "Halle gegen Rechts - Bündnis für Zivilcourage“, für welches der Antragsteller als Veranstalter der Versammlung auftritt, zweifelsfrei ersichtlich, dass die Versammlung in einem unmittelbaren thematischen Zusammenhang mit der von diesem Bündnis jüngst geäußerten Kritik an den gegenwärtigen, gerade auch in Ansehung der derzeitigen Pandemie hergestellten, Unterbringungsbedingungen der Asylbewerber in der Zentralen Aufnahmestelle (ZASt) des Landes Sachsen-Anhalt in Halberstadt steht (vgl. den offenen Brief des Bündnisses vom 12. April 2020 an den Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, die Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt und den Minister für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt, veröffentlicht unter https://www.halle-gegen-rechts.de/ aufgerufen am 18. April 2020).

Hiervon ausgehend ist es für das Anliegen der Versammlung gerade von gesteigerter Bedeutung, diese nicht erst zu einem noch ungewissen Zeitpunkt durchführen zu können, zu dem die in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 3. SARSCoV-2-EindV oder eine entsprechende Nachfolgeverordnung vorgesehenen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit nicht mehr gelten. Dies räumt letztlich auch die Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung ein, indem sie ausführt, die Thematik „ZASt“ stehe insbesondere seit dem vergangenen Wochenende in der öffentlichen Diskussion, weshalb von einem öffentlichen Interesse und damit auch einem Interesse an der Meinungskundgabe auszugehen sei. Insoweit ist zu bedenken, dass - worauf auch das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - sich in § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (Vierte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 4. SARS-CoV-2-EindV) vom 16. April 2020 eine wortlautgleiche Regelung findet, die am 20. April 2020 in Kraft treten wird (vgl. § 24 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV).

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dieser ergibt sich daraus, dass Versammlung bereits heute stattfinden soll. Damit käme Rechtsschutz in der Hauptsache zu spät. ln Anbetracht der zumindest überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache und der besonderen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit, auf welches sich der Antragsteller berufen kann, ist es ihm schlechthin unzumutbar, sich auf ein Hauptsacheverfahren verweisen lassen zu müssen. Die mit der vom Verwaltungsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung verbundene Vorwegnahme der Hauptsache ist somit ausnahmsweise zulässig.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den·§§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Dabei legt der Senat zugrunde, dass der Antragsteller mit seinem vorläufigen Rechtsschutzbegehren letztlich ein einziges Ziel, namentlich die ausnahmsweise Zulassung der für den heutigen Tag geplanten Versammlung, verfolgt. Zwar hat der Antragsteller neben einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO verbunden. Dies ist aber allein dem Umstand geschuldet, dass die Antragsgegnerin, obwohl Versammlungen nach der gegenwärtigen Rechtslage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 3. SARS-CoV-2-EindV grundsätzlich bereits kraft Gesetzes nicht stattfinden dürfen und nur im Einzelfall behördlich nach einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung zugelassen werden können, die Durchführung der vom Antragsteller geplanten Versammlung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verboten hat. Ein ausschließlich auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des vom Antragsteller hiergegen erhobenen Widerspruchs gerichteter Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO würde dem Antragsteller nicht zu seinem Rechtsschutzziel verhelfen. Ohne den Erfolg eines zugleich nach § 123 Abs. 1 VwGO erhobenen Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung könnte er aufgrund des nach § 1 Abs. 1 Satz 1 3. SARS-CoV-2-EindV bestehenden gesetzlichen Verbotes die geplante Versammlung gleichwohl nicht durchführen. Beide Anträge sind somit prozessual notwendig zur Verfolgung eines einheitlichen Rechtsschutzbegehrens, weshalb der Senat nicht für jeden Antrag einen gesonderten Streitwert annimmt. Für eine Halbierung des folglich für die Hauptsache maßgeblichen Auffangstreitwerts besteht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Anlehnung an Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beil. 2013, 58 ff.) keine Veranlassung, da der Antragsteller - wie dargestellt - eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 GKG).