Titel

LG Cottbus, Beschluss vom 25.09.2019, Az. 7 T 25/19


Gewahrsamnahme ohne personenbezogenen Straftatverdacht

 


Zitiervorschlag: LG Cottbus, Beschluss vom 25.09.2019, Az. 7 T 25/19, zitiert nach POR-RAV


Teaser

Eine Freiheitsbeschränkung erfordert immer eine personenbezogene Prüfung.

Entscheidend ist der Kenntnisstand der Polizei bei der Gewahrsamnahme.

Leitsatz

1. Gewahrsamnahme zur Gefahrenabwehr erfordert eine überprüfbare Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr.

2. Ohne konkreten Verdacht einer (selbst) begangenen oder bevorstehenden Straftat darf niemand in seiner Freiheit beschränkt werden.

3. Ist keine richterliche Entscheidung über behördliche Freiheitsentziehung (mehr) ergangen, bleibt ein nachträglicher Feststellungsantrag zulässig.

Volltext

1. Auf die (sofortige) Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 05.11.2018, Az. 19 XIV 298/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Betroffenen wird für die Rechtsverfolgung im erstinstanzlichen Verfahren über seinen Antrag vom 27.07.2018 Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Zahlungen bewilligt und Rechtsanwalt R.M. aus Berlin zu den Bedingungen eines im Bezirk des Landgerichts Cottbus ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Es wird festgestellt, dass die Freiheitsentziehung vom 12.06.2018 bis zum 13.06.2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

2. Die gerichtlichen Auslagen und die Auslagen des Betroffenen für beide Rechtszüge werden der weiteren Beteiligten auferlegt.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5. Dem Betroffenen wird für die Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Zahlungen bewilligt und Rechtsanwalt R. M. aus Berlin zu den Bedingungen eines im Bezirk des Landgerichts Cottbus ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

GRÜNDE

I. Der Betroffene wurde am 12.06.2018 vor der Wohnunterkunft in der Hegelstraße in Cottbus gemeinsam mit 25 anderen Personen gegen 23.30 Uhr durch Polizeibeamte der weiteren Beteiligten in Gewahrsam genommen. Die weitere Beteiligte begründete dies mit fortgesetzten verbalen und tätlich geführten Auseinandersetzungen zwischen tschetschenischen und afghanischen männlichen Personen am Abend des 12.06.2018 und der Gefahr, dass die in Gewahrsam genommenen Personen aus vergleichbarem Anlass Straftaten begehen könnten, welche geeignet seien, den Rechtsfrieden nachhaltig zu stören, und dass nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten sei.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus führt unter dem Aktenzeichen 1360 Js 26927/18 ein Ermittlungsverfahren wegen besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs gegen elf Beschuldigte. Der Betroffene gehört nicht zu den Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens. Die weitere Beteiligte beabsichtigte, am 13.06.2018 beim Amtsgericht Cottbus eine Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams bis zum 13.06.2018 um 13.00 Uhr herbeizuführen. Die zuständige Richterin des Amtsgerichts Cottbus teilt am 13.06.2018 mit, dass eine Anhörung frühestens gegen Mittag erfolgen könne und aufgrund der Vielzahl der in Gewahrsam genommenen Betroffenen sich den ganzen Nachmittag hinziehen würde.

Sie ordnete daher an, die in Gewahrsam genommenen Betroffenen bis 13.06.2018, 13.00 Uhr, zu entlassen. Der Gewahrsam des Betroffenen wurde zu diesem Zeitpunkt beendet. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.07.2018 beantragte der Betroffene beim Amtsgericht Cottbus, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung am 12. und 13.06.2018 festzustellen und ihm Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 05.11.2018 (Az: 19 XIV 298/18) wurde festgestellt, dass der weitere Vollzug der Inhaftierung bis 13.06.2018 gegen 13.00 Uhr rechtmäßig war. Den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe des Betroffenen wies das Amtsgericht zurück.

Auf die Entscheidungsbegründung wird Bezug genommen. Hinsichtlich des laut Empfangsbekenntnis dem Verfahrensbevollmächtigten am 17.12.2018 zugestellten Beschlusses vom 05.11.2018 legte der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.01.2019, Eingang beim Amtsgericht Cottbus am selben Tag, Beschwerde gegen die Entscheidung über den Feststellungsantrag und sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ein und beantragte, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Der Beschwerdeführer führt u. a. an, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.08.2019 führte der Betroffene weiter ausführlich zur Beschwerdebegründung aus. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht Cottbus hat der Beschwerde des Betroffenen am 21.01.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Kammer hat die polizeibehördlichen Akten der weiteren Beteiligten sowie die Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Cottbus (Az: 1360 Js 26927/18) beigezogen. Die weitere Beteiligte hat mit Schreiben vom 29.03.2019 mitgeteilt, etwaige Bedenken an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses würden durch sie nicht geteilt.

Im Verfahren 7 T 33/19 (Verfahrenskostenhilfe) ist das Verfahren durch Beschluss des Einzelrichters vom 02.09.2019 der Kammer zur Entscheidung übertragen worden.

II.

Die gemäß §§ 18 Abs. 2 BbgPolG, 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist mit dem gestellten Feststellungsantrag gemäß §§ 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 3, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässig. Sie ist innerhalb der Beschwerdefrist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 FamFG eingelegt worden.

Nach § 62 Abs. 1 FamFG spricht das Beschwerdegericht nach einer Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse liegt nach§ 62 Abs. 2 FamFG in der Regel vor, wenn schwerwiegende Grundrechtseingriffe gegeben sind oder eine Wiederholung konkret zu erwarten ist. Freiheitsentziehende Maßnahmen, wie Gewahrsam, sind in der Regel schwerwiegende Grundrechtseingriffe.

Eine Statthaftigkeit des Feststellungsantrages ergibt sich im vorliegenden Fall nicht bereits aus § 428 Abs. 2 FamFG. Diese Bestimmung erfasst nach § 415 Abs. 1 FamFG ausschließlich behördliche Freiheitsentziehungen, die aufgrund Bundesrecht angeordnet worden sind (vgl. Keidel, FamFG, 19. Auflage 2017, § 428 Rdnr 10).

Der Feststellungsantrag des Betroffenen ist aber gemäß § 18 Abs. 2 BbgPolG in Verbindung mit § 62 FamFG entsprechend statthaft. Rechtsschutz ist auf dieser Grundlage auch zu gewähren, wenn der Richter des Amtsgerichts mit dem Vorfall befasst war, jedoch während des Polizeigewahrsams keine richterliche Entscheidung getroffen hat (vgl. zum Rechtsweg OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.04.2009, 1 L 124/08). § 18 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG und inhaltsgleich Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG verfolgen auch den Zweck, eine richterliche Feststellung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung zu treffen (so OVG Berlin-Brandenburg, a. a. 0.). Hier findet § 62 FamFG entsprechende Anwendung, weil eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung nicht ergangen ist. § 18 Abs. 2 BbgPolG erklärt die Vorschriften des FamFG für entsprechend anwendbar. Feststellungsanträge nach § 62 FamFG nur auf richterliche Entscheidungen zur Freiheitsentziehung zu beschränken, würde zu einer Regelungslücke führen, die nicht beabsichtigt war. Effektiver Rechtsschutz kann demnach nur gewährleistet werden, wenn § 18 Abs. 2 BbgPolG in Verbindung mit § 62 FamFG auch Fälle der erledigten behördlichen Freiheitsentziehung erfasst.

Der Feststellungsantrag des Betroffenen ist auch begründet.

Die lngewahrsamnahme des Betroffenen war rechtswidrig, die Voraussetzungen des 17 Abs. 1 Nr. 2 c BbgPolG waren nicht gegeben.

Die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer beendeten Freiheitsentziehung beschränkt sich auf die Frage, ob der Gewahrsam auf Grund Polizeirechts gerechtfertigt war (so BayObLG, Beschluss vom 06.07.1989, Breg. 3 Z 22/89, NVwZ 1990, S. 194). Dabei ist der Kenntnisstand der Polizei im Zeitpunkt der lngewahrsamnahme entscheidend (vgl. Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Auflage 2014, PAG Art. 18, Rdnr 55).

Im vorliegenden Fall wurde die lngewahrsamnahme des Betroffenen auf § 17 Abs. 1 Nr. 2 c BbgPolG gestützt. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 c BbgPolG kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet ist, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, zu verhindern. Die Annahme, dass eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, dass sie bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet sind, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, als Störer betroffen worden ist und nach den Umständen eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist. Die demnach zu treffende Gefahrenprognose stellt eine auf Tatsachen begründete subjektive Einschätzung dar.

Für den hiesigen Betroffenen finden sich in den von der weiteren Beteiligten überreichten Unterlagen keine konkreten personenbezogenen Anhaltspunkte dafür, dass er an den am 12.06.2018 im Stadtgebiet Cottbus begangenen Straftaten, insbesondere an der Körperverletzung auf dem Sportplatz des Pückler-Gymnasiums, beteiligt war.

Aus dem Sachstandsbericht der weiteren Beteiligten, der sich in den polizeibehördlichen Akten der weiteren Beteiligten (Akten der Polizei) unter demselben Geschäftszeichen einmal datiert auf den 13.06.2018 (BI. 6 ff, erster Abschnitt, Akten der Polizei) und einmal auf März 2018 (BI. 13 ff, zweiter Abschnitt, Akten der Polizei) befindet, ergibt sich Folgendes: In den Abendstunden des 12.06.2018 kam es in Cottbus zu mehreren Vorfällen, an denen auch Asylbewerber beteiligt gewesen sein sollen.

Um 19.10 Uhr wurde die Polizei, die um 19.18 Uhr vor Ort war, informiert, dass in Cottbus, Sachsendorf, Hegelstraße 89, eine Auseinandersetzung zwischen ca. 30 Personen tschetschenischer Herkunft und ca. 25 Personen afghanischer Herkunft stattfindet. Dabei wurde im Rahmen des Polizeieinsatzes an der Asylunterkunft in der Hegelstraße eine größere Personengruppe angetroffen, wobei „es sich um nach dem äußeren Erscheinungsbild um Tschetschenen" (BI. 6, erster Abschnitt, Akten der Polizei) handelte. Auf dem ca. 200 Meter entfernten Sportplatz des Pückler-Gymnasiums wurde eine Gruppe von ca. 15 Afghanen festgestellt. In beiden Gruppen waren jeweils drei verletzte Personen. Die weitere Beteiligte hält in diesem Bericht weiter fest, dass bei der Feststellung der Personalien u. a. nur „ein grober Sachverhalt zu ermitteln" (BI. 6, erster Abschnitt, Akten der Polizei) war.

Die Befragten aus den beiden Gruppen machten sich widersprechende Angaben und „die dabei entstandenen Stich- und Schnittverletzungen konnten nicht geklärt werden" (BI. 6, erster Abschnitt, Akten der Polizei). Um 21.30 Uhr, so die weitere Beteiligte weiter, hatte sich die Situation vor Ort in der Hegelstraße beruhigt. Auf Blatt 16 ff der Akten der Polizei, überschrieben mit „Beteiligte an den Delikten im Zusammenhang mit Landfriedensbruch" werden bezogen auf das Geschehen gegen 19.10 Uhr 26 männliche Personen aus der Russischen Föderation und eine Person aus Afghanistan aufgeführt. Dabei ist unter Ziffer 19. auch der Betroffene. Konkrete Feststellungen der weiteren Beteiligten dazu, ob und wenn ja, wie die Personen, insbesondere der Betroffene, bewaffnet waren, ob und ggf. wie sie an dem Geschehen beteiligt waren, welches Verletzungsbild sich bei welchen Personen feststellen ließ, finden sich in den Unterlagen der weiteren Beteiligten nicht.

Um 20.03 Uhr wurde der Polizei bekannt, wobei sie um 20.16 Uhr vor Ort war, dass es in Cottbus, Sachsendorf, Hegelstraße 85 - 91, zu einer Schlägerei zwischen ca. 20 Bewohnern gekommen sei. Festgestellt wurden durch die Polizeibeamten der afghanische Asylbewerber A. als Geschädigter und drei tschetschenische Tatverdächtige namens I.M., A.B. und V.I. Die Namen dieser festgestellten Personen, dabei nicht des Betroffenen, finden sich auch in der Sachverhaltsschilderung zur Strafanzeige der weiteren Beteiligten {BI. 13f Akten der Polizei). Mehrere weitere Tatverdächtige sollen vor Eintreffen der Polizei den Ort des Geschehens verlassen haben.

Um 21.44 Uhr wurde die Polizei über eine „Massenschlägerei" (BI. 8, erster Abschnitt, Akten der Polizei) in der Notaufnahme des Carl-Thiem-Klinikums, wohl zwischen Afghanen und Syrern, wie sich später herausstellte aber wohl Personen tschetschenischer Herkunft, informiert. Während des Einsatzes sei noch eine Gruppe tschetschenischer Personen zur Notaufnahme gekommen, die sich zunächst „wenig einsichtig" zeigten, schließlich jedoch, mit Ausnahme einer Person, den Bereich des Klinikums verließen. In der Sachverhaltsschilderung zur Anzeige der weiteren Beteiligten zu diesem Geschehen sind als Beschuldigte A.B. und B.B., als Geschädigte A.A., M.H. und K.A., nicht der Betroffene, aufgeführt (Bl.14 f Akten der Polizei).

In der Folgezeit erhielt die weitere Beteiligte noch drei weitere Meldungen von Straftaten, zweimal gefährliche Körperverletzung, einmal Raub, im Stadtgebiet von Cottbus, wobei auch „ausländische Personen" beteiligt gewesen sein sollen. Genaueres, insbesondere Tatverdächtige, konnten dabei jedoch nicht ermittelt werden (BI. 9, erster Abschnitt, Akten der Polizei).

Schließlich habe die Dienstgruppenleiterin „in der Folge die Information" {BI. 10, erster Abschnitt, Akten der Polizei) bekommen, „dass mehrere Gruppen tschetschenischer Personen wieder auf dem Rückweg zum Asylbewerberheim" seien. „Aufgrund dessen", so die weitere Beteiligte in dem Bericht weiter, „wurden Kräfte vor Ort entsandt und die Personen, welche sich in der Hegelstraße vor dem Asylbewerberheim aufhielten, in den Polizeigewahrsam verbracht", da davon auszugehen sei, "dass die angetroffenen Personen an dem Landfriedensbruch tatbeteiligt waren". Bei dem Landfriedensbruch ist von der weiteren Beteiligten wohl das erste Geschehen vor dem Asylbewerberheim bzw. auf dem nahegelegenen Sportplatz gemeint. Diese Sachverhaltsschilderung findet sich so auch in dem „Bericht - Antrag über die Fortdauer über die Gewahrsamnahme von 26 tschetschenischen Personen" der weiteren Beteiligten vom 13.06.2019 {Bl.10 f, zweiter Abschnitt, Akten der Polizei).

Aus all dem ergibt sich, dass die Personalien des Betroffenen im Rahmen des ersten Einsatzes der Polizei um ca. 19.18 Uhr vor dem Asylbewerberheim zwar festgehalten wurden, nicht jedoch festgestellt wurde, ob und wenn ja, in welcher Weise er überhaupt an dem Geschehen vor dem Asylbewerberheim bzw. am nahegelegenen Sportplatz beteiligt war. Ebenso wurde nicht festgestellt, dass der Betroffene bei den weiteren Geschehen an diesem Abend beteiligt war. Es wurde mithin nicht durch die weitere Beteiligte festgestellt, dass der Betroffene bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet sind, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, als Störer betroffen worden war.

Damit war für die Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr kein Raum, diese stützte sich auf keine konkreten Erkenntnisse, sie war nicht durch Tatsachen unterlegt. Es ist nicht ersichtlich und durch die weitere Beteiligte im Beschwerdeverfahren auch nicht vorgetragen worden, worauf sich die Annahme der weiteren Beteiligten bezüglich der unmittelbar bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit durch den Betroffenen, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet ist, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, zur Zeit der lngewahrsamnahme stützt. Es lässt sich lediglich festhalten, dass bei dem Einsatz um 19.18 Uhr die Personalien des Betroffenen vor dem Asylbewerberheim aufgenommen wurden und dass er um 23.30 Uhr an selber Stelle in Gewahrsam genommen wurde. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die weitere Beteiligte an dem Abend des 12.06.2018 mit einer Vielzahl von Einsätzen, bei denen jeweils auch größere Gruppen von Asylbewerbern, auch Personen tschetschenischer und afghanischer Herkunft, beteiligt gewesen sein mögen, befasst war. Das befreit jedoch gerade bei einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme nicht von einer personenbezogenen Prüfung der Voraussetzungen.

In den beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens wegen Landfriedensbruchs der Staatsanwaltschaft Cottbus (1360 Js 26927/18) wird der Betroffene zwar als Beschuldigter geführt. Dies fußt allerdings auf Zeugenaussagen und Wahllichtbildvorlagen, die der weiteren Beteiligten am Abend des 12.06.2018, zur Zeit der lngewahrsamnahme, nicht zur Verfügung standen, nicht zur Verfügung stehen konnten. Darüber hinaus findet sich, ungeachtet der Tatsache, dass die Ermittlungen erst nach der lngewahrsamnahme aufgenommen wurden, kein Hinweis auf eine Beteiligung des Betroffenen an einem Landfriedensbruch oder anderen Straftaten in Gestalt von beispielsweise dokumentierten eigenen Wahrnehmungen der Polizeibeamten. Solche wurden von der weiteren Beteiligten auch nicht vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäߧ§ 18 Abs. 2 BbgPolG, 81Abs.1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Der weiteren Beteiligten waren die Auslagen des Betroffenen ebenso wie die gerichtlichen Auslagen aufzuerlegen, da der angeordnete Gewahrsam rechtswidrig war.

IV.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 18 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG, 79 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG. Die Voraussetzungen nach § 81 Abs. 2 Satz 2 GNotKG für die Zulassung der Beschwerde gegen die Wertfestsetzung liegen nicht vor.

V.

Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Zulassung auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zu der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Ein Fall der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 FamFG liegt nicht vor.

VI. Dem Betroffenen ist auf seine nach § 76 Abs. 2 FamFG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 569 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde unter Änderung des angefochtenen Beschlusses gemäߧ 76 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug zu bewilligen, nach den letztgenannten Vorschriften auch für das Beschwerdeverfahren. Zudem ist ihm gemäß § 78 Abs. 2 und 3 FamFG sein Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen.



Kommentar

"Weitere Beteiligte" war das Land Brandenburg, Polizeipräsidium, Polizeiinspektion Cottbus/Spree-Neiße.